Zwei Schritte hinter mir
einem Wasserfall säße, aber ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen. Ich senkte den Kopf und schaukelte hin und her, um mich warm zu halten, aber es nutzte nichts. Ich schloss die Augen und betete darum, einschlafen zu können. Es ging nicht. Der Regen prasselte mir auf den Kopf, die Schultern und den Rücken.
Bei Tagesanbruch regnete es immer noch. Doch obwohl der Himmel wolkenverhangen und grau war, wurde es im Wald ein wenig heller. Irgendwo ging die Sonne auf, aber es hatte nicht den Anschein, als würde der Regen bald aufhören.
Taumelnd stand ich auf. Mir tat alles weh. Meine Kleider waren so nass, dass sie tropften, und in meinen Schuhen quatschte bei jedem Schritt das Wasser.
Ich trank so viel Wasser aus der Schüssel, wie ich konnte, und schüttete den Rest in die Flasche. Mit dem Wasser, das ich gesammelt hatte, füllte ich ebenfalls die Flasche. Dann nahm ich vorsichtig die Ränder der Plastikfolie hoch und band sie mit dem Seil zusammen, um so viel Wasser wie möglich mitnehmen zu können. Diesen Plastiksack legte ich in die Schüssel. Ich wollte ihn mitnehmen und davon trinken, bevor
ich das Wasser aus der Flasche nahm. Was auch geschah, in nächster Zeit musste ich mir keine Sorgen machen, wieder Durst zu leiden.
Ich packte meine Sachen zusammen, suchte meine Landmarken, die mich leiten sollten, und marschierte los.
Der Regen hörte nicht auf. Und ich hatte es mir nicht bloß eingebildet: es war in der Nacht tatsächlich kälter geworden. Mein Atem war als kleine Wolke vor mir sichtbar.
Ich ging schnell, in der Hoffnung, dass mich das warm halten würde. Aber es machte mich nur hungrig. Ich blieb stehen, um noch ein wenig Rinde von einer Birke zu schälen und kaute beim Weitergehen darauf herum.
Am späten Nachmittag hörte der Regen endlich auf, doch die Sonne blieb hinter den grauen Wolken verborgen.
Immer weiter und weiter lief ich und ließ eine Wegmarke nach der anderen hinter mir. Ich hoffte, dass ich in die richtige Richtung ging, aber ohne die Sonne konnte ich es nicht überprüfen.
Ich lief weiter, bis es fast dunkel war. Bevor ich mich zum Schlafen niederlegte, legte ich einen Pfeil aus Zweigen aus, der in die Richtung zeigte, in die ich gelaufen war. Ich wünschte, dass der Himmel aufklarte, damit ich die Sterne sehen konnte. Wenn ich den
Nordstern finden konnte, könnte ich sehen, ob ich in die richtige Richtung gegangen oder vom Kurs abgekommen war. Aber die Wolken verdeckten weiterhin den Mond und die Sterne.
Ich war erschöpft, weil ich den ganzen Tag gelaufen und die ganze Nacht davor gezittert hatte. Ich kauerte mich zusammen, zog mir die nasse Decke über die Schultern und versuchte einzuschlafen. Bald darauf fand ich mich in einem irren Kaleidoskop von Träumen wieder. Da war mein Dad, lebendig und lächelnd auf dem Fahrrad neben mir in unserer Straße. Mein Großvater tauchte an meiner anderen Seite auf, sein langes graues Haar flatterte im Wind. Im wirklichen Leben hatte ich meinen Großvater nie auf einem Fahrrad gesehen. Plötzlich verschwanden sie und ich ging einen langen dunklen Gang entlang. Vor mir schien ein Licht durch eine Türritze. Jemand lachte. Vorsichtig stieß ich die Tür auf und trat ein.
Meine Mutter saß auf einem roten Samtsofa vor einem Kamin. Sie sah etwas an und lachte fröhlich, aber ich konnte nicht sehen worüber, und ging auf sie zu. Als ich näher kam, sah ich, dass jemand bei ihr war. Ein Mann. Meine Mutter drehte sich zu mir um. Sie lächelte strahlend. Ich hatte sie noch nie so glücklich gesehen. Dann drehte sich auch der Mann um und ich erkannte Gregg. Er lächelte wie meine Mutter. Doch
als sie mich sahen, verblasste ihr Lächeln. Plötzlich waren sie nicht mehr glücklich.
Ich wachte ruckartig auf, aber alles war unwirklich. Statt zu zittern, war mir ganz heiß. Über den Waldboden kroch dichter Nebel. Von irgendwo kam das Knacken und Knistern von Zweigen, die unter Schritten brachen. Aber von was – oder von wem – kamen diese Schritte?
Aus dem Nebel tauchte ein Gesicht auf. Es war mein Vater. Blut lief ihm über das Gesicht, aber er lächelte und winkte mir. Ich stand auf und folgte ihm nach Hause.
10
Am nächsten Morgen wachte ich genau dort auf, wo ich eingeschlafen war. Der Himmel war grau, aber der Regen hatte aufgehört. Meine Kleider waren immer noch nass, und ich zitterte, aber mir war nicht mehr kalt, ich glühte förmlich. Ich schloss die Augen und schlief wieder ein.
Als ich zum zweiten Mal aufwachte,
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