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Zwei Schritte hinter mir

Zwei Schritte hinter mir

Titel: Zwei Schritte hinter mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah McClintock
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stand die Sonne hoch am Himmel. Ich trank aus der Flasche, füllte sie mit dem Wasser aus dem Plastiksack auf, packte alles zusammen und rappelte mich hoch. Mir war schwindelig, als ich einen Stock nahm und ihn in den Boden steckte, und mein Kopf pochte, während ich versuchte, mich zu orientieren. Als ich schließlich in Richtung Westen aufbrach, tat mir jeder Knochen im Leib weh.
    Was war los mit mir? Ich stolperte bei jedem Schritt. Meine Füße fühlten sich an wie aus Granit. Ich stolperte über eine Baumwurzel, einen Stein, wieder eine Wurzel. Egal, wie viel Wasser ich trank, ich hatte immer
noch Durst. Und ich hatte das Gefühl, als ob mir jemand die Schläfen mit einem Vorschlaghammer bearbeitete.
    Ich lief, stolperte und stürzte, bis ich schließlich keinen Schritt mehr weiter konnte. Ich sank zu Boden. Ich war krank und das machte mir Angst. Lag es daran, dass ich nass war und so lange gefroren hatte? Hatte ich verdorbenes Wasser getrunken? Hatte ich mich vergiftet? War es die Birkenrinde, die ich gegessen hatte? Ich zwang mich, wieder aufzustehen. Ich musste weiter. Ich musste einfach. Wenn ich krank war, dann war es umso wichtiger, dass ich mein Ziel so schnell wie möglich erreichte. Ich konnte nicht zulassen, dass mich etwas aufhielt.
    Ich stolperte weiter, es kam mir wie eine Stunde vor, doch wahrscheinlich waren es nur ein paar Minuten. Als ich das nächste Mal stolperte und fiel, stand ich nicht wieder auf. Ich blieb liegen und schloss die Augen.
    Als ich sie wieder öffnete, konnte ich über mir die Sterne erkennen.
    Ich verfluchte mich selbst.
    Fast den ganzen Tag hatte ich verschlafen. So würde ich nie nach Hause kommen. Ich zitterte unkontrolliert und meine Stirn fühlte sich an wie glühende Kohlen. Würde ich mich noch bewegen können, wenn die Sonne wieder aufging? Wenn nicht, was würde ich dann tun?

    Am liebsten hätte ich geweint. Doch stattdessen war ich zornig auf mich selbst. Weinen half mir nicht. Das hatten mich die Tränen nach dem Tod meines Vaters gelehrt. Sie änderten nichts. Und sie würden mich sicher nicht nach Hause bringen.
    Grandpa hatte gesagt, dass man in einer bestimmten Situation meist zwei Alternativen hatte. Und er sagte, meist seien es die beiden gleichen Alternativen.
    Meine Situation war, dass ich mich im Wald verirrt hatte und unbedingt nach Hause wollte. Aber ich war krank und müde – und mutlos.
    Die beiden Alternativen, die ich hatte, waren, mich zu einer kleinen Kugel zusammenzurollen und zu heulen, in der Hoffnung, dass mich irgendwann jemand retten würde, oder, ich riss mich zusammen und akzeptierte, dass es von mir abhing. Die Einzige, die mich nach Hause bringen konnte, war ich selbst. Und das hieß, dass ich bei Verstand bleiben musste. Ich musste weitergehen. Ich musste mich weigern aufzugeben.
    Außerdem musste ich akzeptieren, dass ich im Moment nichts tun konnte. Ich musste auf den Morgen warten.
    Nun ja, fast nichts.
    Die Sterne schienen. Wenn ich auch vorher zu müde und zu krank gewesen war, meine Richtung mit einem Pfeil zu markieren, bevor ich eingeschlafen war, konnte
ich mich nun anhand der Sterne orientieren, damit ich am Morgen in die richtige Richtung lief.
    Ich suchte am Himmel nach dem großen Wagen, konzentrierte mich auf die beiden Sterne am Ende und folgte der Verlängerung ihrer Linie über den Himmel zum hellsten Stern – dem Nordstern. »Wenn du auf den Nordstern zugehst, gehst du immer nach Norden«, hatte Grandpa gesagt. Ich holte das Messer aus der Tasche und ritzte einen Pfeil in den Boden. Danach fühlte ich mich besser. Ich lehnte mich zurück und wartete darauf, dass die Sonne aufging.

    Das nächste Mal, als ich meine Augen öffnete, stand die Sonne schon hoch über den Baumwipfeln. Ich fühlte mich immer noch mies und fiebrig, aber die Kopfschmerzen waren abgeklungen und ich hatte wieder Hunger und Durst. Ich öffnete die Flasche und roch an dem Wasser. Machte es mich krank? Sollte ich es lieber ausschütten? Aber was sollte ich dann tun? Am Ende gewann der Durst die Oberhand. Ich trank in tiefen Zügen und füllte die Flasche mit dem restlichen Wasser aus dem Plastiksack auf. Dann trat ich unsicher in die Sonne auf der kleinen Lichtung vor mir.
    Meine Kleidung war immer noch feucht, aber wenigstens nicht mehr durchgeweicht.

    Mit einem Stock und meiner Uhr berechnete ich neu, wo Westen war, und überprüfte die Richtung mit dem Nordpfeil, den ich in der letzten Nacht in den Boden geritzt hatte. Erleichtert stellte ich

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