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Zwei Schritte hinter mir

Zwei Schritte hinter mir

Titel: Zwei Schritte hinter mir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norah McClintock
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fest, dass ich die Richtung nicht verloren hatte, und machte mich auf den Weg.
    Mein Magen knurrte. Ich war ganz schwach vor Hunger. Aber es war keine einzige Birke in Sicht. Ich war nur von Kiefern umgeben und weiter vorne standen ein paar Zedern. Vielleicht änderte sich das noch. Ich ging weiter.
    Kiefer.
    Kiefer.
    Kiefer.
    Zeder.
    Kiefer.
    Die Sonne ging wieder unter.
    Ich musste etwas essen.
    Auf dem Weg lag ein modernder Baumstamm. Ich starrte ihn an.
    Grandpa und ich waren auf unseren Wanderungen auf viele verrottete Bäume gestoßen. Einmal hatte er einen davon aufgebrochen und hatte mir gezeigt, was darin war. Es waren dicke, zappelnde, wurmartige Wesen, die auf einem großen Haufen wimmelten. Larven, hatte Grandpa gesagt. Er nahm eine davon und steckte sie in den Mund. Entsetzt sah ich, wie er
sie verschluckte, grinste und sich zufrieden über den Bauch strich.
    »Ich weiß, sie sehen nicht sehr appetitlich aus«, meinte er.
    Appetitlich?
    »Sie sehen gruselig aus. Wenn du willst, dass ich mich ekele, dann hast du das richtig gut hingekriegt, Grandpa.«
    »Sie schmecken besser als sie aussehen.«
    »Das heißt nicht viel.«
    Grandpa lachte. »Sie haben auch viele Proteine«, behauptete er. »Als ich noch ein paar Jahre jünger war als du jetzt, habe ich beschlossen, meinem Vater zu zeigen, wie erwachsen ich war. Während er einen Ausflug in die Stadt machte, bin ich allein zum Jagen gegangen. Ich hatte vor, ihn mit ein paar Kaninchen oder vielleicht einem Reh zu überraschen, wenn er zurückkam. Aber es funktionierte nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich verirrte mich furchtbar. Schlimmer noch, ich schaffte es, mein Gewehr in einer Schlucht zu verlieren. Bald hatte ich keine Wahl mehr. Entweder ich aß Larven oder ich verhungerte. Also aß ich Larven. Sie retteten mir das Leben.«
    »Lieber würde ich verhungern«, erklärte ich. Und das meinte ich ernst.
    Aber das war, als ich mit Grandpa unterwegs war und wir unseren kleinen Campingkocher dabei hatten,
und wir bald darauf Eintopf essen und ihn mit heißem Tee herunterspülen konnten. Aber jetzt war ich allein, ohne Kocher, ohne Tee und nichts zum Kochen. Abgesehen von ein paar Streifen Birkenrinde hatte ich seit Tagen nichts mehr gegessen. Und ich hatte keine Ahnung, wie lange ich noch würde laufen müssen.
    Ich starrte den Baumstamm vor mir an und fragte mich, was wohl darin war. Ich ging hin, fasste ihn an einem Ende und riss mit aller Kraft daran. Das Holz war weich und schwammig und brach leicht auseinander, sodass ich hineinsehen konnte. Tatsächlich wimmelte es darin von fetten, ekligen Würmern. Schon bei ihrem Anblick wurde mir schlecht. Ich schluckte schwer, packte mit einer Hand hinein – oh nein, war das eklig! – und nahm eine fette Larve aus dem wuselnden Haufen. Sie zappelte mit ihrem weichen, weißen Körper, sodass ich sie fast angewidert hätte fallen lassen. Auf keinen Fall konnte ich etwas so Lebendiges und Widerwärtiges in den Mund stecken. Ich dachte daran, was ich Grandpa gesagt hatte. Lieber würde ich verhungern.
    Aber jetzt wollte ich nicht verhungern.
    Ich kniff die Augen zu, legte den Kopf zurück und ließ die Larve in meinen Mund fallen. Ich musste dagegen ankämpfen, sie wieder auszuspucken. Ich spürte, wie sie auf meiner Zunge zappelte. Ich versuchte, zu
schlucken und musste würgen. Schließlich brachte ich sie mit einer angewiderten Grimasse hinunter.
    Igitt!
    Einen Augenblick lang war ich mir sicher, ich müsste mich übergeben. Das war das Ekelhafteste, was ich je getan hatte. Wahrscheinlich zappelte der fette kleine Wurm noch in meinem Bauch. Wieder sah ich den Baum an. Ich bezweifelte nicht, was Grandpa gesagt hatte. Die Larven hatten bestimmt viele Proteine und sie hatten ihm bestimmt das Leben gerettet. Aber ich wünschte mir, dass eine reichen würde, um meinen Hunger zu besänftigen. Dann müsste ich nicht noch mehr davon essen.
    Langsam bückte ich mich und nahm eine weitere Larve aus der widerlichen kleinen Kolonie. Sie war noch fetter und zappeliger als die erste. Wieder schloss ich die Augen, steckte sie in den Mund, biss schnell zu und zwang mich, sie hinunterzuschlucken, wobei ich versuchte, nicht an den Schleim zu denken, der mir die Kehle hinunterrann. Bei der zweiten ging es nicht besser als bei der ersten.
    Ich nahm die nächste Larve. Dann noch eine und noch eine. Bei jeder überkam mich der Ekel. Bei jeder hatte ich das Gefühl, ich müsste mich übergeben. Aber ich aß sie trotzdem. Ich

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