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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Gemach gelangen konnte, das wie ein Wohnzimmer eingerichtet war. Eine weitere Thür, die vielleicht in fernere Zimmer führen mochte, war durch einen Kasten verstellt. So war mein Bereich also ein völlig abgeschlossener. Ich ging nun an die Betrachtung der Geräthe. Sie waren alle sehr anständig und fest, aber nicht neu, ja es konnte Zweifel entstehen, ob sie nicht ein par Jahrhunderte alt seien. Das weiße Linnenzeug des Bettes stach sehr schön von dem braunen Holze des Gestelles ab. Der Geräthe waren gerade so viele, als unumgänglich nöthig war, die Zimmer einzurichten, keines mehr und keines minder. Was mir besonders auffiel, war, daß in jedem der Gemächer wohl ein Spiegel an der Wand war, sonst aber nichts erblikt werden konnte, was etwa wie ein Gemälde oder wie ein Kupferstich ausgesehen hätte. Es ist dies eine seltene Thatsache in Wohnungen und Landhäusern. Da ich mich nun über das Innere gänzlich vergewissert hatte, schritt ich an das Aeußere. Ich ging in das Nebengemach meiner Schlafstube, öffnete eines der Fenster, und sah hinaus. Aber von einer Aussicht war in einer Nacht, wie diese, keine Rede: Millionen dichter Sterne standen an dem fast schwarzen Himmel, und funkelten nicht in weißem, sondern fast buchstäblich, in goldenem Lichte hernieder. Unter ihnen lag die Gegend so unkenntlich, gleichsam wie eine schwarze Schlake, an der die Funken des Himmels verknisterten. Selbst in der nächsten Nähe unter mir konnte ich keine Gegenstände unterscheiden, als einige Ballen schweigender Bäume, und fahle Dinge, wie Anlagen und Geländer. Weil aber die Nacht gar so milde war, und die sanftere Kühle auf die Hize des Tages so wohl that, so blieb ich längere Zeit am Fenster, und genoß der Annehmlichkeit und des erquikenden Bades der Luft.
    Endlich entfernte ich mich doch, und beschloß, mich zu Bette zu begeben. Ich ließ aber das einmal geöffnete Fenster offen stehen, um die holde Luft nicht von mir auszuschließen.
    Ich ging in meine Schlafstube zurük, entledigte mich allgemach meiner Kleider, legte alles auf einen Sessel, löschte die Lichter aus, und legte mich in das Bett. Ich dachte noch des armen Burschen Gerardo, was etwa er für eine Nacht in seinem Schiffe auf dem See haben möchte; und weil ich doch theils von dem Gange theils von den vielen seltsamen Eindrüken etwas ermüdet war, strekte ich meine Glieder, und entschlief bald angenehm und fest. Ohnehin mochte ich schon der lezte im Hause sein; denn da ich bei dem offenen Fenster hinaus geschaut hatte, waren alle andern Fenster an dieser Seite des Hauses bereits finster gewesen.
    Ich wußte nicht, wie lange ich geschlafen haben mochte, denn mein Schlaf ist gewöhnlich so fest, daß er nicht unterbrochen wird, außer wenn er überhaupt schon aus ist - ich wußte also nicht, wie lange ich geschlafen haben mochte, als ich durch ein Geräusch gewekt wurde. Ich wußte Anfangs nicht, was es sei, und sezte mich im Bette auf, um besser zu horchen. Nach und nach erkannte ich das Ding als Klänge, und endlich, da ich mich völlig gesammelt hatte, als Töne einer Geige. Sie umspielten fast lieblich das sich mehr und mehr ermannende Gehirn, und als ich völlig wach und nüchtern war, waren es klare, reine, entschiedene, und scharf gezogene Töne. Allein da ich kaum einige Takte zusammenhängend vernommen hatte, hörte alles auf. Ich sezte mich in meinem Bette zurecht, um gut zu lauschen. Nach einer Weile begann es wieder mit dem zartesten Piano, und wuchs der Sache gemäß zu der Stärke, wie sie die Kunst erforderte. Ich erstaunte auf das Aeußerste. So konnte weder ich selber spielen, noch habe ich je so spielen gehört, wenn es nicht Theresa Milanollo war. Das gab sich als höchste edelste Kunst zu erkennen. Es war so ungemein genau begrenzt, kein Har darüber und kein Har darunter, es prägte sich klar, bestimmt, und gegenständlich aus. Je länger ich zuhörte, je mehr wurde mir die Aehnlichkeit einleuchtend, bis ich, als das vorgetragene Stük aus war, fast zu der unumstößlichsten Gewißheit kam, das müsse Theresa Milanollo sein, die eben gespielt habe. - Es begann wieder, und trug seine Dinge mit männlicher Entschiedenheit vor.
    Ich stand nun auf, warf schnell etwas von meinen Kleidern um mich, und schlich mich auf den Zehen in das andere Zimmer, dessen Fenster ich offen gelassen hatte. Ich ging an das Fenster, und lehnte mich hinaus, um zu horchen. An dem ganz heiteren Himmel stand jezt eine schmale silberne Mondessichel, so dünne,

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