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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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wie ein in die Luft geschnittener Zirkel, erleuchtete aber doch so viel, daß ich sah, daß unter meinen Fenstern eine Terasse sei, auf welcher Bäume standen, und auf welcher der schwache Schimmer einer Einfassung hin lief. Sonst sah ich nichts, nicht einmal das Dämmern der Felsen, von denen ich doch wußte, daß sie in einer nicht großen Entfernung sein müßten. Auch woher die Töne kamen, konnte ich mit dem Ohre nicht bemessen, kamen sie von rechts, kamen sie von links, oder kamen sie von unten. Selbst, ob im Hause oder im Garten gespielt wurde, war mir nicht recht klar. Auf der Terasse glaubte ich niemanden zu sehen, auch würde ich es da wohl erkannt haben, wenn auf ihr jemand gespielt hätte, da sie gerade unter meinen Fenstern hinlief.
    Es begann wieder, nachdem es eine geraume Weile ausgesezt hatte - und man könnte gleichsam sagen, es gab seine Seele in die Lüfte. Ich horchte fort und fort. Wenn es Theresa Milanollo ist, so mußte ich denken: ist denn das Kind in dieser kurzen Zeit um so viel älter geworden, daß die süße Unwissenheit sich gewendet hat, die uns sonst so entzükte? Oft ist es ja in dem Spiele gar nicht anders, als sei bereits die Glut der Leidenschaft darinnen. Es ist nicht mehr das Ding, das mit einfacher Liebe in den goldenen Tönen gespielt hat, blos aus dem Grunde, weil sie goldene sind; sondern das ist so zu sagen ein schreiendes Herz, welches seinen Jammer erkannt hat. Es lag in dem Spiele ein Schmerz und eine Sehnsucht, die so einleuchtend ausgesprochen waren, daß man sah, das sei nicht ein vorgebildetes und vorgespiegeltes Ding der Kunst, sondern das sei aus dem wirklichen, bitteren, erfahrenen Leben hergenommen. Es war für mein Ohr die ganz natürliche Steigerung des Herzens darinnen. Zuerst war eine sanfte Klage, die versuchsweise bittet, und, wiewohl vergeblich, hinschmilzt - dann war das heiße Flehen, das ein fernes wohlerkanntes Glük so gerne herbei ziehen möchte - dann war die Ungeduld des Heischens - dann stand die Seele auf, und es war ein Zürnen, daß das Gut, das man geben wolle, nicht erkannt werde - dann war ein Hohn, der da sagt, wie hoch das eigene Herz steht, und wie es sich durch Verachtung rächen will - - endlich war eine Fröhlichkeit, die es sich rauschend vorsagt, daß sie es sei. - - Ich dachte: du armes, armes Kind! was mußt du gelitten haben, daß du diese Dinge verstehst, und sie mit der einzigen Stimme, die dir Gott in so reichlichem Maße gegeben hat, ausdrüken kannst! Mir fiel auch jener wundersame Auftritt ein, den ich hatte, als ich Rikar in das Theater führte, und als er so auffallend weinte, da er die Schwestern Milanollo hörte. Wie mag das zusammen hängen?!
    Ich hüllte mich fester in meinen Rok, den ich übergenommen hatte, weil die Nacht doch ein wenig kühl war, und hörte zu. Das Spiel sezte nun ziemlich lange aus, und begann wieder. Es wurde immer besser und geläuterter, als machte sich doch nach und nach die Kunst geltend, die das menschliche Herz so beseligt und sänftigt, und als dränge sie die Leidenschaft zurük. Endlich wurde einmal jene Stärke, jene Begeisterung und Emporhebung, die gerne dem Ende einer Musik, namentlich dem einer sich selbst hörenden, vorausgeht, weil gleichsam die Seele sich selbst überholt hat, und das Werkzeug, wodurch sie sich ausgesprochen hatte, weglegt. So war es auch hier. Der Schluß, den ich selber als einen solchen erkannt hatte, offenbarte sich wirklich als einen solchen. Gleichsam wie ein goldener Bliz war der lezte Ton der Saiten über die Gegend hinaus gegangen - und es blieb still. Die silberne Luft und die starre weiße Lavasichel des Mondes standen unbeweglich.
    Ich blieb noch lange an dem Fenster, und wartete, ob es nicht wieder beginnen würde. Aber es begann nicht mehr. Alles blieb stille. Die Bäume unter mir hielten die Blätter an sich, daß keines wanke, und selbst das Rauschen des Springbrunnens, das ich deutlich vernommen hatte, als ich heute Abends zu dem Hause herzu gegangen war, mußte versiegt sein; denn ich hörte es nicht.
    Ich ging endlich ziemlich durchfroren in mein Bett zurük, und legte mich nieder.
    Bis sich meine Glieder erwärmten, dachte ich nicht viel nach; dann aber kam das Reich der Gedanken, der Ahnungen und Vermuthungen. Anfangs hatte ich den zwekwidrigen Gedanken, Licht zu machen, zu dem Fenster zu gehen und hinunter zu leuchten; aber sogleich erkannte ich, daß ich gerade dann unten nichts sehen würde, wenn ich mir ein Licht vor die Augen hielte, und

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