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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Häuschen den Einsiedlerbauer genannt. Er sei ein sehr rechtschaffener uneigennüziger Mann, und habe sich gegen ihn selber, als er von Meran hieher kam, als edlen hülfreichen Freund gezeigt.
    Unter solchen Gesprächen kam endlich die Zeit des Mittagessens heran. Es wurde in demselben Saale verzehrt, in welchem wir das Frühmal eingenommen hatten. Die Frauen waren jezt statt mit dem weißen Morgengewande mit den bunten Kleidern des Tages angethan.
    Nach Tische ist es gebräuchlich, den heißeren Theil des Tages in seinen Zimmern zuzubringen. Ich benüzte die Muße, um die Bücher, welche man mir hergelegt hatte, zu besehen, und mir diejenigen bei Seite zu legen, in denen ich allenfalls lesen mochte.
    Als sich die Wärme etwas gemildert hatte, wurde ich von meinem Freunde Rikar neuerdings besucht und bescheiden gefragt, ob ich einen Theil meiner Zeit mit ihm und seinen Angehörigen zubringen wollte. Ich bejahte es bereitwillig, und er führte mich in den Garten hinunter. Wir trafen hier am Rande des Kastanienwäldchens die Gesellschaft, und es wurde das Vesperbrot bereitet. Maria ließ Milch, Käse und andere Dinge, die sich schikten, herbei bringen, und Camilla beschäftigte sich damit, dieselben auf dem Tische zu ordnen. Wir hatten die Aussicht nach allen Richtungen des Anwesens. Im Garten zog einer den Ziehbrunnen, daß das Wasser in große Gefäße laufe. Andere schöpften es aus diesen heraus, und begossen die Gewächse. Einige jäteten in den Gemüsen, andere reinigten die Bäume, und manchmal kam eines herzu, und rief Maria bei Seite, um mit ihr etwas zu reden. In einer kühlen Gartenhalle wurden bereits die Gegenstände gereinigt und geordnet, welche zunächst an der Reihe waren, versendet zu werden. In dieser Einsamkeit ist man gewohnt, auf die einfachsten Dinge als wie auf Abwechslungen zu schauen. Wir sahen auf die Vorragungen und Felsen der Landschaft, und bemerkten, wie sich die Schatten derselben allgemach wendeten, und nach anderen Richtungen wiesen.
    Als es Abend geworden war, schlug man einen Spaziergang vor. Die Mädchen nahmen ihre großen Strohhüte und wandelten neben uns her. Hier sah ich die Aehnlichkeit der Schwestern. Neben dem dunkeln bräunlichen Angesichte Marias hob sich das lichte und weiße Camillas hervor; es hatte dieselben Züge, nur weicher, und die Wangen waren mit dem Anhauche der lieblichsten Röthe bedekt. Die Augen waren gleich, nur blikten Marias feuriger und entschiedener.
    Rikar führte uns zu dem sogenannten Brünnlein. Es war dies eine Falte der Berge, gleichsam eine schiefe Grube, die nur nach einer Richtung hin die Aussicht offen ließ. Auf dem Grunde der Grube quoll ein wunderbar klares Wasser hervor, füllte ein Beken, in dem es wie ein Spiegel stand, und ließ den Ueberfluß längs der Haide dahin rinnen. Rikar hatte Steinsize herum machen lassen, weil die Familie gerne an die Stelle ging, und da saß. Wir blikten gegen die Anhöhen, die weit draußen an dem grünlich matten Himmel hinzogen, und sahen, wie die müden Nachmittagslichter auf den fahlen Rasen derselben hinschweiften. Die Einsamkeit der Lage dieses Hauses hatte etwas so Eindringliches, daß es fast wie Traurigkeit aussah.
    Die Mutter hatte meinen Gedanken errathen, oder sie mochte in der unglaublichen Abgeschiedenheit des Ortes, an dem wir saßen, von ähnlichen Gefühlen ergriffen sein; denn sie sagte: »Wir sind nicht ganz so abgeschieden und von der menschlichen Gesellschaft getrennt, als ihr etwa glauben mögt: wir werden euch einmal auf das Gratek hinauf führen, von wo man nach Sanct Gustav und in die andern bewohnten Thäler hinab sieht. Auch kömmt mancher Freund zu uns herauf, und wir kommen manchmal hinunter. Im Winter ist es fast noch geselliger, weil da die Menschen, wenn man die Höhen und Häuser verschneit und unzugänglich vermuthen sollte, gerade absichtlich zusammen kommen, und sich Gesellschaft leisten, und Vergnügungen veranstalten, um den traurigen Winter und die Einförmigkeit und die Kürze der Tage zu betrügen.«
    »Wenn die Zeit schön bleibt, und meine Gesundheit es zuläßt,« sagte Rikar, »so werde ich euch einen Genuß ganz anderer und seltener Art bereiten. Ich werde euch auf die Adostaspize geleiten, von welcher aus man das ganze nördliche Italien übersieht, und an durchsichtigen Tagen gar den Glanz des Meeresspiegels erblikt.«
    »Dann haben wir hier auch noch schöne Dinge,« sagte Maria, »die Hallthäler, die Krummweiden, die Erkspizen, die Grünbrüche, die

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