Zwei Schwestern
Langhänge und anderes.«
Wir saßen auf den Steinbänken und neben dem klaren Wasser, bis die Sonne untergegangen war, und die Gegend sich mit der gleichmäßigen Farbe der beginnenden Dämmerung bedekte. Dann gingen wir bei einem leise wehenden Lüftchen, aber auf einem ganz andern Wege, als auf dem wir her gekommen waren, und in einem großen Umkreise nach Hause.
Als wir dort angekommen waren, sagte man mir, daß mein Bothe zurükgekehrt sei. Ich ging gleich auf meine Zimmer um zu sehen, wie gut er seine Sachen vollbracht habe. Ich fand alle die Kleider, die ich von dem Wirthe begehrt hatte, nebst dem Kastenschlüssel, den er zurük schikte. Dabei lag eine abscheuliche Quittung von der Hand Gerardos, in welcher er mir anzeigte, daß er seinen Fährlohn richtig erhalten habe, und daß er den Wein gut aufbewahren wolle, bis er bei ihm erhoben würde. Battista hatte also seine Sache gut gemacht, und ich ging in den Hof hinab, um ihm seinen Lohn zu ertheilen. Er stand, so viel es die Dunkelheit zuließ, in einer Stellung, daß ich die Absicht deutlich erkannte, daß er sich leicht wolle finden lassen. Ich gab ihm seine Gebühr, und versicherte ihm auf seine Bitte, daß ich es auch Signora Maria sagen möchte, daß er seinen Auftrag gehörig vollbracht habe, ich würde es schon thun.
Hierauf ging ich wieder hinauf, brachte die Sachen in Ordnung, und war so kindisch, zum Abendessen einen schwarzen Frak anzuziehen, wie ihn mein Reisefreund stets an hatte.
Wir saßen nach dem Speisen länger beisammen, als es wohl sonst bei dieser Familie gebräuchlich sein mochte, und es löste sich das Band der Rede immer leichter, je mehr wir mit einander bekannt wurden. Endlich trennten wir uns, und jedes ging mit seinen Lichtern auf seine Zimmer.
Als ich in meiner Wohnung war, verschloß ich mich durch den inneren Riegel gegen außen, stellte die Lichter auf den Tisch, und warf den schwarzen Frak über das Sopha. - Theresa Milanollo war also ein verborgenes Geheimniß gewesen. Ich war begierig, ob ich heute die Musik wieder hören würde, über die den ganzen Tag auch nicht die geringste Erwähnung geschehen war. Ich ging in das zweite Zimmer, und öffnete das Fenster, durch das eine stille laue glänzende Nacht herein schaute; denn das Lüftchen, das am Abende geweht hatte, hatte sich auch völlig wieder gelegt. Ich schaute, wie gestern, eine Weile in die dunkle Gegend hinaus. Als ich mich von dem Fenster entfernte, um mich zum Schlafengehen zu entkleiden, ließ ich die Flügel desselben offen stehen. Ich hatte am Nachmittage unter den Büchern, die man mir her gelegt hatte, auch Göthes Reise nach Italien gefunden. Diese nahm ich vor, und beschloß, darin zu lesen. Ich stellte, da ich entkleidet war, die Lichter zu meinem Bette, legte mich nieder, und nahm das Buch in die Hand. Obwohl mir das Werk ohnehin sehr gut bekannt war, übte es doch wieder eine sehr freundliche Wirkung auf mich aus, und ich las länger, als ich vorgehabt hatte. Dann löschte ich die Lichter aus, und entschlief. Ich schlief, so zu sagen, nur mit halb geschlossenen Augen, um durch die Töne, wenn sie begännen, sogleich gewekt werden zu können. Aber ich wurde nicht gewekt, und die Nacht blieb fortdauernd stille. Nur den fernen Tritt der Saumthiere vernahm ich, als man sie mit ihrer heutigen Last bepakt hatte, und von der hintern Gartenhalle aus auf dem Wege nach Sanct Gustav hinab führte. Dann schlummerte ich wieder weiter, bis ich durch den Anbruch des Tages erwachte, der troz der Vorhänge mit einer flammenden Morgenröthe zu mir herein sah.
Ich stand auf und kleidete mich an.
Das war also der erste Tag gewesen, den ich in Rikars Hause zugebracht hatte. Ihm folgten nun mehrere, die sich alle bei der Einfachheit der Familie glichen. Sie waren alle im ganzen Hause so freundlich und zuvorkommend gegen mich, daß mir der eingegangene Vertrag, einige Tage hier zuzubringen, eine Annehmlichkeit war, und daß mir die Ursache, derentwillen ich gekommen war, so ferne wurde, als läge sie schon Jahre hinter mir. Ich theilte mir meine Zeit ein, machte weite Spaziergänge in alle Theile des Hochgesteines, um sie kennen zu lernen, und kam von solchen Gängen zuweilen erst gegen Abend in das Haus meines Freundes zurük. Es war sonderbar, daß ich hiebei sah, daß die verdorrte Fichte auf dem schwarzen Steine, die ihre zarten abgestorbenen Zweige so düster in den Himmel tauchte, wirklich der einzige Baum in dem ganzen Umkreise der Gegend war.
Ich kam einmal in
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