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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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anmuthig gelegt. Er hatte die Augen zu mir erhoben, als ich eingetreten war, und als er das Rufen der Umgebenden vernahm, und hatte von seinem Geschäfte abgelassen; denn unstreitig war er darin begriffen, den Ledersak aufzuschnallen.
    Rikar löste sich von der Gesellschaft los, ging auf mich zu, nahm mich bei der Hand, führte mich zu dem Fremden und sagte: »Mein sehr lieber Freund, Otto Falkhaus, der in Wien mein langwochentlicher Nachbar war, der mir jene Liebesdienste that, wovon ich euch erzählt habe, und der uns jezt die Freude machte, uns auf einer Durchreise zu besuchen und eine Zeit in unserm Hause zu verweilen.«
    Als er mich so vorgestellt hatte, wendete er sich mit der Hand gegen den jungen Mann und sagte: »Mein anderer sehr lieber Freund, Alfred Mussar, der uns dieses Haus und Anwesen in den Stand sezen half, in dem es jezt ist, der uns immer ein treuer Freund und Rathgeber gewesen ist, der uns zu lange verlassen hat, und der nun doch wieder in seine Heimath zurükgekehrt ist.«
    Bei diesen Vorstellungen verbeugten wir uns gegenseitig stumm, und ich sah bei dieser kleinen Bewegung, daß der Fremde das Benehmen der feineren Stände haben müsse.
    »Jezt laßt uns aber unser Geschäft nicht mehr unterbrechen,« sagte die Mutter, »stellen Sie sich zu uns, und sehen Sie mit uns, was unser Freund vornehmen wird.«
    Ich stellte mich auf diese Einladung der Mutter an den Tisch, und zwar auf Seite der Mädchen, und Alfred fuhr fort, die Schnallen des Sakes aufzulösen.
    Als man ihm hiebei helfen wollte, hatte ich auch Gelegenheit seine Stimme zu hören; denn er sagte den Scherz: »Ich bitte, mich nicht zu unterstüzen; Niemand kennt die Geheimnisse meines Sakes, und es könnte nur Verwirrung entstehen.«
    Die Stimme war rein und einnehmend und wohltönend.
    Als er alle Schnallen gelöst hatte, that sich der Sak auseinander und zeigte im Innern zwei Hauptfächer, in denen wieder mehrere in Papiere gewikelte Gegenstände verpakt waren.
    »Ehe ich weiter schreite,« sagte er, indem er bei seiner Arbeit inne hielt, die Hand auf den Sak legte und die Augen gegen die Anwesenden richtete, »bitte ich Alle, daß Niemand gegen die Geschenke, welche ich gebracht habe, und welche mich freuen, eine Einwendung mache, sondern daß Jeder die für ihn bestimmten freundlich und bereitwillig annehme.«
    Als Alle auf diese Bedingung eingegangen waren, sagte er: »Nun so fahren wir fort.«
    Nach diesen Worten löste er noch die inneren Schnallen und Bänder, die der Sak hatte, und es kamen nun sehr viele und verschiedene Papierpäke zum Vorscheine, auf deren jedem der Name dessen stand, dem er gehörte. Aber auch Anderes war dabei.
    »Jezt ist es erlaubt,« sagte Alfred, »daß Jedes das Papier, auf welchem sein Name steht, auflöse, und die Sache, die es enthält, herausnehme. Damit aber dieser Sak nicht weiter stört, wollen wir ihn beseitigen.«
    Mit diesen Worten nahm er den leeren Sak von dem Tische und trug ihn in eine abgelegene Eke des Saales. Die Anwesenden aber begannen die vielen Schnüre und Papiere zu lösen, mit denen die unbekannten Gegenstände umwikelt waren. Alfred und ich halfen gelegentlich bald hier bald da. In Kurzem war der Tisch mit Schnüren, Papieren und Geschenken bedekt.
    Alfred war in Paris gewesen. Da kamen nun schwere Seidenstoffe zum Vorscheine, es kamen Teppiche, Umhängtücher, Halstücher, Kleiderzeuge von allen Arten, und endlich Kopfpuze, Handschuhe und sogar Stiefelchen. Aber auch jene vielseitigen Spielereien und Tändeleien fehlten nicht, an denen Paris so reich ist, und in denen das französische Volk alle andern Völker der Erde übertrifft. Außer diesen allgemeinen Geschenken waren aber auch noch besondere, welche nur einzig und allein auf den Betheiligten paßten, daß man sah, wie emsig Alfred auf die Familie bedacht war, und wie sehr er sich in der Ferne mit jedem Einzelnen beschäftigt hatte.
    Die Mutter bekam eine kleine goldene Uhr, sehr zierlich gearbeitet und so flach, daß sie fast mit einer Münze wetteifern konnte. Sie bekam noch einen kostbaren Lichtschirm, mehrere französische Bücher, die sie noch nicht hatte, und endlich ein Schreibgeräthe und feines Siegellak, weil sie die einzige in der Familie war, die noch zuweilen freundschaftliche Briefe und zwar an eine alte Jugendfreundin in Mailand schrieb.
    Der Vater erhielt ein Schachspiel aus Ebenholz und Elfenbein, ein auserlesenes Fernrohr, ein Thermometer, und ein Instrument, die Bläue des Himmels zu messen, mit

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