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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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sterben. Du hast selber gesagt, wie die Uibungen ihrer Gesundheit geschadet haben - du hast auch gesagt, wie sie rosenwangig und jauchzend gewesen sei - aber siehe, wo sind denn nun die rothen Wangen, und wo ist die Fröhlichkeit? - Es ist wahr, daß die Kunst in jeder ihrer Darstellungsarten himmlisch ist, ja sie ist das einzige Himmlische auf dieser Welt, sie ist, wenn ich es sagen darf, die irdische Schwester der Religion, die uns auch heiligt, und wenn wir ein Herz haben, sie zu vernehmen, werden wir erhoben und beseligt: aber, liebe Victoria, der, der sie ausübt, muß fast mehr sein, als ein Mensch, daß er ihr nicht unterliege. Er muß von dem, was er andern reicht, und wovon er mehr ergriffen wird, als sie, nicht überschüttet und zerstört werden. Darum muß er auch die übrigen Kräfte in hoher Gabe haben: er muß im Haupte den erhabenen Verstand haben, daß er die Dinge in großen Maßen verbinden und würdigen kann, er muß in den Nerven den festen Sinn haben, daß er die Welt aufnehmen und mit Entschiedenheit und Liebe tragen kann, und er muß in dem ganzen Körper die klare Gesundheit haben, daß er alles, sowohl die linden Lüfte und den warmen Sonnenschein als auch die starre Kälte und die schneidenden Winde mit Anmuth genieße. Von dem bloßen einseitig wiederholten heißen Gefühle ermattet das Herz. Siehst du nicht, wie von der Hingabe Camillas an ihr Spiel ihr Gemüth verwelkt? Ihre Wangen sind blasser, um die Stirne ist ein Flor, und die Augen sehen stiller, aber auch sehnsüchtiger und trauriger. Siehst du nicht, wie sie beim Fortschreiten dieser Dinge nur immer mehr zur Geige flüchtet, um ihr das versinkende Leben anzuvertrauen?«
    »Du siehst wohl etwas zu hart, Rikar,« antwortete die Mutter, »die Gefühle Camillas sind wohl auch ohne der Kunst vorhanden, ja die Kunst ist eine Folge davon. Wenn ihre Wangen blasser sind, und ihre Augen sanfter schauen, als in der Kindheit, so ist das schon die Wirkung der Wesenheit solcher Menschen, die ein tieferes inneres Leben leben, als andere, wodurch es geschieht, daß das äußere leidet. Auch haben ja Mädchen in ihren Jahren noch allerlei andere Gefühle, die sie beunruhigen, und die wir im Alter wohl belächeln.«
    Ich konnte bei diesen Aeußerungen einen tiefen Blik in das Innere der Familie thun, der mir manches enthüllte; aber ich konnte die Fortsezung des Gespräches, und was der Vater auf die Worte der Mutter gesagt haben würde, nicht mehr erfahren; denn die angefangene Rede ward durch den Gegenstand derselben, durch die Mädchen, unterbrochen, welche auf dem Sandwege gegen uns heran kamen.
    Sie gingen Arm in Arm. Sie waren beide ganz gleich gekleidet. Jede hatte einen breiten Sommerstrohhut auf, dessen grüne Bänder an der Wange nieder gingen; jede hatte ein Sommerkleid von roher Seide an, nur daß es bei Maria um ein Merkliches kürzer war, als bei Camilla; und jede hatte endlich ein blaues Seidentüchlein um den Busen. Der einzige Unterschied war, daß Camilla einen Sonnenschirm hatte, den Maria nie trug.
    Als sie herzu gekommen waren, und so vor uns standen, konnte ich die Wahrheit oder Unwahrheit von Rikars Ausspruche beobachten. Wer die Schwestern mit oberflächlichem Blike angeschaut hätte, würde sie für Zwillinge gehalten haben, und doch konnte es nichts Ungleicheres geben. Camilla hatte sanfte weichgebildete Wangen, die von dem Strohhute überschattet wurden; die lichte zarte Farbe derselben war von einem leichten Hauche von Roth überflogen; das Sommertuch dekte den schlanken keuschen Busen; und die lange Wimper hüllte sich über große Augen, in welchen wirklich, wie in einem Spiegel, Schwärmerei, wo nicht gar Schwermuth und Leiden lag. Maria hatte dieselben Wangen, nur schienen sie fester gebildet, und die Uiberschattung durch den Strohhut konnte weniger bemerkt werden, weil sie ohnedem durch den Sonnenstrahl, dem sie immer ausgesezt waren, gebräunt erschienen; das Sommertuch saß knapp und dicht über dem Herzen; und aus denselben großen spiegelnden Augen, wie sie Camilla hatte, sah der Glanz der Ruhe oder der der Zufriedenheit und Ehrlichkeit.
    Das Gespräch der Ehegatten, welches für mich so bedeutsam werden wollte, war also unterbrochen, und es begann ein anderes mit den Ankömmlingen, die die Mutter fragte, was sie in der Blumeneinfassung gethan hätten.
    »Wir haben eben nichts Besonderes gethan,« antwortete Maria, »ich habe die langgewachsenen Georginenstämme an Stüzen gebunden, und Camilla hat mir zum

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