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Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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Theile geholfen. Meine Arbeit ist für heute abgethan, und ich stehe euch zu Gebote, wenn ihr etwas unternehmen wollt, sei es nun, daß wir in dem schattigen Wäldchen hier bleiben, oder daß wir einen Spaziergang hinaus auf die Höhen und unter die Steine versuchen.«
    »Bleibt ein wenig bei uns, und sezt euch hier nieder,« sagte die Mutter, »es ist zum Spazierengehen in dem Augenblike noch zu warm, und später werden wir schon sehen, was zu thun sei.«
    Camilla lehnte ihren Sonnenschirm an einen Kastanienstamm, was sie immer that, weil sie ihn auf einem Tische oder auf einer Bank vom Staube gefährdet gehalten hätte, den sie, wie jede Unreinlichkeit aufs Aeußerste fürchtete, und beide Mädchen sezten sich nieder.
    Die Bänke standen am Rande des Kastanienwaldes und auch in dessen Mitte so, daß immer ihrer mehrere einen kleinen Kreis bildeten, in welchem man sich gegenüber sizen konnte.
    So thaten wir auch heute; wir saßen so, daß wir uns in die Angesichter sehen konnten, und sprachen, wie es öfter geschah, wenn wir während der Hize unter dem schirmenden Laubdache dieser Bäume saßen, von verschiedenen wichtigen Dingen. Es wurden die menschlichen Angelegenheiten besprochen, und nicht selten kamen wir auch auf die Abhandlungen der Weltweisheit und mancher Aussprüche, die gelehrte und berühmte Männer in Vorzeiten gethan und verfochten haben, was sie zum Zweke ihres Lebens gemacht, und wofür sie nicht selten dieses ihr Leben eingesezt hatten.
    Wir gingen an diesem Tage auch nicht mehr auf die Höhen und unter die Steine hinaus, sondern, wie es sich öfter ereignete, weil der Garten so reich und mannigfaltig war, und viele Gegenstände zur Betrachtung und Unterhaltung bot, blieben wir in demselben, wir zeigten uns dies und jenes, wir befragten uns, unterredeten uns, arbeiteten gelegentlich noch etwas, trennten und fanden uns, wie es eben der Gegenstand, mit dem wir uns beschäftigten, erheischte, und als, wie es allemal war, eine außerordentlich prachtvolle Nacht über diese Einöde herüber zog, lehnte ich noch sehr lange in meinen Fenstern und schaute hinaus. - -
    Endlich richtete ich mich doch zu meiner Abreise zusammen. Ich brachte meine Sachen in Ordnung, und wollte sie in den nächsten Tagen in das Ränzlein paken, um von diesem Punkte meine Reise wieder in die weitere Welt fortzusezen.
    Aber es kam ein wenig anders.
    Als ich eben mein Ränzlein pakte, hörte ich im Gange ein freudiges Laufen, ein Rufen, ein Zuschlagen der Thüren - und dann war es stille. Ich ließ ab von meinem Geschäfte, ließ die aufgelösten Riemen des Ränzleins über den Tisch herabhängen, und begab mich hinaus, um zu erforschen, was die ungewöhnliche Bewegung bedeute. Gleich bei meiner Thür stieß mir die Amme auf, und ich fragte sie, was es gäbe.
    »Mein Gott,« sagte sie, »so habt ihr denn von Allem nichts gesehen und gehört - und es ist doch ein solcher Lärm gewesen. Drei Maulthiere haben die Kisten getragen, man hat sie abgeladen, und hat sie unterdessen in das Gewölbe der Halle gesezt. Wo seid ihr denn gewesen, daß ihr nichts gesehen und gehört habt? Alfred Mussar ist gekommen, er ist von seiner großen Reise zurükgekehrt, und ist auf seinem braunen Pferde herauf geritten. Jezt sind sie Alle im Speisesaale beisammen.«
    Die Amme war hochroth vor Freude, und ich drehte den Schlüssel im Schlosse meiner Thür vollends um, und stekte ihn zu mir, um in den Speisesaal zu gehen.
    Als ich eintrat, hatte ich einen Anblik, wie der war, den ich in meinem Zimmer verlassen hatte. Es lag nämlich auf dem Tische ebenfalls ein Ledersak, der ebenfalls zum Theile geschnürt war, und die andern Riemen über den Tisch herab hängen ließ: nur der Unterschied war, daß dieser Ledersak viel größer, als der meine, und daß man nicht im Zusammenpaken, sondern im Auspaken begriffen war. Alle standen um den Sak herum. Man hatte mich ganz vergessen. Als ich herein kam, riefen sie mir zu, ich solle mich nähern, und solle an dem Vorgange Antheil nehmen.
    Außer den gewöhnlichen Mitgliedern der Familie, nämlich Rikar, der Mutter und den beiden Mädchen, stand noch ein junger Mann mit freundlichen leuchtenden Augen an dem Tische. Er war in die Gebirgstracht der Gegend gekleidet, nur hie und da ein wenig veredelt, die ihm sehr wohl stand. Er war äußerlich angenehm gebildet, ich könnte sagen, ungemein schön: die Wangen waren fein und roth, nur etwas zu dunkel, der Mund edel, das Kinn rein, die Stirne hoch und die Loken darum

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