Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwei Schwestern

Zwei Schwestern

Titel: Zwei Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
Vom Netzwerk:
welcher Erscheinung er sich besonders abgab.
    Camilla empfing zu ihrem goldenen Armringe, den sie gewöhnlich bei ihrem Geigenspiele anzuhaben pflegte, einen zweiten ähnlichen, der ungemein leicht und edel gearbeitet war, dann erhielt sie noch in mehreren ebenholzenen Büchslein duftendes Geigenharz, und in violett samtenen Fächern eine Sammlung aller Geigensaiten, welche in der ganzen Welt gemacht werden.
    Maria bekam ein großes Werk in gepreßtes Leder gebunden, das eine Einzelbeschreibung der Camellien nebst ausgezeichneter Abbildung aller bekannten Arten enthielt. Außerdem empfing sie noch ein Werk über Orchideen, und eins über Landbenüzung, das in Paris neu war und Aufsehen erregt hatte. Und zum Schlusse erhielt sie einen Schwank, nämlich gleichsam wie ein chirurgisches Bestek, ein Fach mit allen kleineren Gartenwerkzeugen, Messern, Scheren und dergleichen, Alles zierlich eingetheilt und mit silbernen Griffen versehen.
    Als man Alles ausgepakt hatte, als man nun im Ernste mit Erstaunen vor diesen Geschenken da stand, und mit Aufrichtigkeit, auf die im Scherze eingegangene Bedingung vergessend, versicherte, daß das zu viel sei, sagte Alfred: »Ich habe es ja gewußt, daß es mir so ergehen wird. Ich habe mich auf der ganzen Reise auf diesen Augenblik gefürchtet. Wollt ihr mir denn keine Gefälligkeit erweisen? Ich habe gar Niemanden. Ihr wißt, daß mein Haus allein steht, daß kein Nachbar da ist, daß nur meine Arbeitsleute mit mir unter demselben Dache wohnen, daß ich keinen Vater, keine Mutter, keine Schwester, keinen Bruder, keine Gattin habe. Ich habe bei meiner Art zu leben um viel weniger zu dieser Reise gebraucht, als mir ein Bekannter, der in diesen Dingen erfahren ist, voranschläglich ausgerechnet hatte. Ich habe also erspart. Ich habe verschiedene Dinge gekauft, um auch die größte Freude, die eine Reise gewährt, zu haben, nämlich die, Geschenke zu bringen. Ich wollte sie euch bringen, weil ihr meine nächsten Nachbarn seid, und mir sonst auch gerne eine Freundschaft erwiesen habt. Ich hatte den Wunsch gehabt, noch viel mehr zu kaufen, allein mir fehlte der Muth dazu.«
    Auf diese Worte war es um den ganzen Tisch herum sehr stille; denn Jedes fühlte in sich, daß es unedel wäre, auch nur ein einziges der Geschenke zurükzuweisen, und daß sie daher alle angenommen werden müßten.
    Rikar ging auf den jungen Mann zu und sagte: »Ihr seid recht gut und recht wahrheitsliebend, und das Gefühl, das ihr ausgesprochen habt, lebt allerdings in dem menschlichen Herzen, ich kenne es sehr gut; darum fühlen wir uns geehrt, daß ihr dieses Gefühl gegen uns gewendet habt, da euch nähere Angehörige abgehen; und ich glaube die Gesinnung aller der Meinigen zu treffen, wenn ich erkläre, daß wir die Geschenke mit großer Freude annehmen und unsern Dank für die Erinnerung, die ihr in fremden Ländern an uns bewahrt habt, auf das Innigste ausdrüken.«
    Victoria stimmte der Erklärung ihres Gatten bei, und die Mädchen sahen Alfred an, dessen Angesicht voll Zufriedenheit glänzte.
    »Aber da wir noch bei diesen herrlichen Sachen beisammen stehen,« fing jezt die Mutter an, »so fällt mir etwas ein, das ich vortragen will, und für das ich um die Zustimmung bitte - oder vielmehr ihrer gewiß bin. Während wir über diese lieben Dinge, die uns ein Freund als Andenken mitbrachte, sehr erfreut sind, während er selber erfreut ist, sie gebracht zu haben, steht ein anderer Freund bei uns, der eben so wie der Angekommene keinen Vater, keine Mutter, keine Schwester, keinen Bruder, keine Gattin zu Hause hat, der uns Allen gleich lieb ist, und der daher ein Recht hat, zu uns zu gehören. Da Alfred, der zur Bedingung seiner Reise gemacht hat, keinen Brief zu schreiben und zu empfangen, nicht wissen konnte, welch' lieben Besuch wir in seiner Abwesenheit erhalten haben, so konnte er auch bei der Vertheilung der Ankommensrechte nicht auf denselben Rüksicht nehmen, wie er wohl sonst gethan hätte: ich stimme daher, daß wir den Sinn des Gebers ergänzen, und einen Theil unserer Rechte, so viel Jedes will, an unsern Gast abtreten, daß er nicht ein Fremder, sondern ganz und gar einer der Unserigen sei.«
    Dieser Vorschlag der Mutter hatte aus dem Ernste, der einige Augenblike geherrscht hatte, wieder die Heiterkeit hervorgerufen. Alle riefen einstimmig: »Ja, ja, das wollen wir thun.«
    Ich fühlte, wie mir das Blut in das Angesicht stieg, ich fühlte es an der Hize meiner Wangen, und widersezte mich dem

Weitere Kostenlose Bücher