Zwei Schwestern
größtmöglichster sittlicher Vollkom menheit ausbilden müsse, kam mein Vater an die Reihe, der früher wegen seiner vielen Geschäfte nicht im Stande gewesen war, sich um mich zu bekümmern, der aber im Allgemeinen den Plan meiner Mutter vollständig gebilligt hatte. Er wollte auf die Grundlage des Gefühles nun auch die wissenschaftliche Ausbildung setzen. Aber er starb ebenfalls in dem ersten Jahre. Nach ihm übernahm mein Oheim, der Bruder des Vaters, die Erziehung. Dieser verwarf alles, was nicht nach seinem Ausdruke praktisch war. Praktisch war aber dasjenige, das er dafür erklärte. Ich mußte nun immer arbeiten, das heißt, wie er selber sagte, etwas hervor bringen. Das Hervorgebrachte aber mußte ein Sichtbares und Greifbares sein, das dem Staate und der menschlichen Gesellschaft nüzte. Er theilte mir Lehrer und Gehülfen zu, die selber arbeiteten, und mich zur Arbeit anleiteten. Die Einbildungskraft, und alles, was mit ihr zusammen hängt, nehmlich alle Kräfte, die zur Ausschmükung und Ergözung des Geistes dienen, hielt er strenge darnieder. Ich bin selber der Meinung, daß das heitere und freie Spiel jener Kräfte, die so schön und lieblich in der menschlichen Seele liegen, in Verbindung mit einer Thätigkeit, wodurch das irdische Gut für den einzelnen und so auch für die Gesellschaft hervorgebracht wird, den Menschen ganz und völlig erfüllt und glücklich macht; aber ich konnte beides zusammen nie erreichen, sondern immer nur eines allein; denn als ich aus der Erziehung des Oheims entlassen war, weil ich nun selbstständig in seiner Richtung vorwärts gehen konnte: that ich es nicht. Ihr wißt, wie sich lange niedergehaltene Kräfte rächen. Ich gab mich nun, da ich frei war, dem Zuge meiner Einbildungskraft und den Anregungen meiner sinnenden Kräfte unbedingt hin. Ich ließ die schönen Künste, und allerlei Schwelgereien der Gefühle ohne Maß auf meine Seele wirken. Wenn mir damals ein hochherziges edles starkes tieffühlendes Wesen entgegen getreten wäre, das aber auch im Schaffen und Wirken tüchtig gewesen wäre, daß sich die Fülle der Habe und Wohnlichkeit ergieße: ich glaube, ich hätte es nicht erkannt und gewürdigt. - Jetzt, da die Geschicke es weigern, könnte ich es wohl.
So wurde ich also durch Zufall, da ich meine Kräfte abgesondert und einseitig übte, ganz das Entgegengesezte von dem, was meine Erziehung bezwekte. Was weiter kam, war die natürliche Folge davon.
Im Kleinen war es ja auch ein Zufall, daß ich einmal mit den Schwestern Milanollo in einem Wagen fuhr, ohne sie zu kennen, und daß ich dann mit einem meiner damaligen Reisegenossen wieder zusammen traf, und sie mit ihm hörte.
Noch mehr aber wirkte der Zufall später, da ich mich von meinem Zimmernachbar in der Dreifaltigkeit getrennt hatte.
Ich wollte damals, als ich in Wien war, durch die vielen Verbindungen, die ich meinem Vater verdankte, eine Stelle erringen, die ich meinen Fähigkeiten angemessen erachtete; denn das ohnehin nicht große Vermögen von meinen Eltern sah ich durch mein schlenderndes Leben sich nach und nach dem Ende zuneigen. Ich hatte große Versprechungen und zehrte durch den langen Aufenthalt in der großen Stadt noch einen Theil von Zeit und Geld auf. Da erhielt ich den abschlägigen Bescheid und reiste nach Hause. Es war die äußerste Zeit, irgend etwas fest zu sezen. Nun fing ich sofort an, durch außerordentliche Thätigkeit und durch sehr geschikte Berechnungen, welch beides ich von meinem Oheime gelernt hatte, mir im Handel ein Vermögen zu erwerben. Ich hatte den Plan, mir mit demselben, wenn es einmal groß genug wäre, ein recht nettes Häuschen mit einer Landwirthschaft zu meinem künftigen Lebensunterhalte anzuschaffen, freilich, um wieder träumen zu können. Zu meinen Berechnungen, deren Stoff ich mir mühsam durch stettes Herumfragen und Reisen erworben hatte, trafen noch glükliche Umstände hinzu, die niemand ahnen konnte, die mein Oheim selber nicht ahnte, und die machten, daß ich mein Ziel viel früher erreicht hatte, als ich dachte. Ich kaufte das Häuschen, und da ich es eingerichtet hatte, da um das ganze Besizthum eine Einfriedigung lief, da ich die Bearbeitung meiner Grundstücke begann: machte ich eine Erbschaft, in welcher das alles viel reicher und schöner vorhanden war, als ich es mir je hätte einbilden können. Eine Tante, die älteste Schwester meiner Mutter, die mich einmal als Kind lieb gehabt hatte, die nach dem Tode ihres Gatten, eines reichen
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