Zwei Seiten
ihr eigentlich ein? »Such dir jemand and‘ren, mit deme deine kranken Spielschen treiben kanns‘. Ich hab nich‘ und werd nie …« Tja, was eigentlich? Was machten zwei Frauen miteinander?
»Du wirst nie was?«
Diese ganze Unterhaltung fing an, mich zu verwirren. »Du weißt schon was«, brummte ich und das Thema war damit für mich erledigt.
»Aha. Wie du meinst.«
»Ja, mein ich.«
* * *
Endlich zu Hause, stolperte ich erschöpft in mein Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen.
Julia blieb an der Zimmertür stehen. »Bitte. Gern geschehen. Stets zu Diensten.«
»Danke«, sagte ich und schloss die Augen. Wenn sich nur nicht alles drehen würde. Mir war so schlecht.
»Kommst du jetzt alleine klar?«
Träge klappte ein Augenlid auf und ich hob den Kopf, um Julia anzusehen. Ich öffnete das zweite Auge. Es war unglaublich, dass jemand so gut aussehen konnte. Ihre langen schwarzen Haare fielen wild über ihre Schultern. Und so sehr ich es auch versuchte, ich konnte den Blick nicht von diesen leuchtenden, tiefblauen Augen abwenden. Mit den Armen vor der Brust verschränkt, lehnte sie lässig am Türrahmen. Ihre Gesichtszüge waren entspannt und ihre vollen Lippen … stopp, was zum Teufel war hier los? War ich gerade dabei, eine Frau, genauer gesagt eine lesbische Frau, anzuschmachten? »Was zum Teufel …?« Hatte ich das laut gesagt?
»Alles in Ordnung, Scarlett?«
Bevor ich die Frage bejahen konnte, überkam mich eine unglaubliche Übelkeit. »Hilf mir schnell ins Bad.«
Mit zwei großen Schritten kam Julia auf mich zu und zog mich hoch. In diesem Augenblick passierte es: Ich übergab mich direkt auf Julia. Dann gaben meine Beine nach und ich sank zu Boden.
Julia sprang, leider zu spät, zur Seite. »Bevor noch mehr kommt, gehen wir besser ins Bad.« Sie half mir auf. »Wo geht‘s lang?«
»Die linke Tür neben dem Eingang.« Meine Knie waren ganz weich, und ohne Julias Hilfe hätte ich es nie und nimmer ins Bad geschafft. Vor der Kloschüssel kniend, schielte ich zu Julia. »Es tut mir sooo leid.«
Julia antwortete nicht. Stattdessen kniete sie sich neben mich, als ich mich erneut übergab, und legte ihre warme Hand auf meinen Rücken.
»Ich trink sonst nie so viel. Ich …«, und erneut übergab ich mich. Mein Kopf hämmerte schmerzhaft.
Nach einer Weile schien mein Magen endgültig leer zu sein. Julia half mir behutsam auf die Beine und drehte den Wasserhahn auf.
Ich wusch mir das Gesicht und putzte mir ungeschickt die Zähne. »Ich werd ‘ne Dusche nehmen«, murmelte ich. »Kannste mir meinen Pyjama aus meinem Zimmer holen? Er liegt unterm Kopfkissen.«
Julia nickte und verschwand.
Ich saß in der Zwischenzeit auf dem Toilettendeckel und schloss die Augen.
Wenige Momente später stand Julia wieder in der Tür. Sie wich meinem Blick aus, als sie mir mein Schlafzeug reichte. »Brauchst du … ähm … kommst du zurecht?«
Hätte mich Nathalie gefragt, hätte ich Nein gesagt. Aber niemals, nicht in hundert, ach was sage ich, in tausend Jahren, hätte ich Julia erlaubt, mir beim Ausziehen zu helfen. In dem Fall hätte ich ja gleich ein Schild mit der Aufschrift »nimm mich« tragen können. »Ich komm klar.«
»Wenn du Hilfe brauchst, ruf einfach.«
Julia schloss die Tür und ich zog mich aus.
* * *
Nach einer Weile öffnete ich frisch geduscht, aber mit einem vermutlich schuldbewussten Gesichtsausdruck die Badezimmertür.
Gegen die Wand gelehnt stand eine im wahrsten Sinne des Wortes angekotzte Julia. »Besser?«
»Mmh.«
»Bitte flipp nicht aus, aber könnte ich eventuell auch …?« Julia schaute an sich runter.
Ich hob eine Hand, um sie zu unterbrechen. »Eine Dusche is‘ das Min… Mindeste.«
»Danke.«
»Bedank dich nich‘ dafür, dass ich dich angekotzt hab.«
»Dafür habe ich mich sicher nicht bedankt.«
Ich holte tief Luft. »Julia, bitte entschuldige. Du has‘ mich bis jetzt echt nur von meina schlechtesten Seite kenngel… kennengelernt.«
»Da bin ich aber beruhigt.«
»Hä?«
»Na ja, ich hatte schon befürchtest, du würdest mir sagen, das ist deine beste Seite.«
Wenn das witzig sein sollte, hatte ich irgendwas verpasst. Gott, ging‘s mir dreckig. Ich wollte bloß ins Bett. Mit einer Hand wedelte ich vor Julias Gesicht rum. »Handtücher sind im Schrank hinter der Tür.«
»Ähm, hättest du vielleicht auch …?«
»Was?«
Julia guckte mit gerümpfter Nase auf ihr Top.
»Oh. Ja, klar. Ich hab noch was von meinem Ex irgendwo. Das müsste dir
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