Zwei Seiten
hatte sie das jetzt nicht missverstanden. Ich ließ die Hand fallen. »Warum hasse das gemacht?«
Julia beugte sich etwas vor. Vermutlich, um mich trotz der lauten Musik hören zu können.
Ich wich instinktiv zurück.
»So behandelt man keine Frau«, grummelte sie.
Was? Verstand ich das richtig? Eine Lesbe hatte versucht, meine Ehre gegenüber meinem Beinahe-Freund zu verteidigen? Irgendwas stimmte an diesem Bild ganz gewaltig nicht. Ich stemmte die Hände in die Hüften. Warum zum Teufel hatte sie das gemacht? »Und du meinst, ‘s bringt was, wenn du auf deinen stuss… stuss… sturzbetrunkenen Bruder einschlägst?« Ich hielt mich mit einer Hand an der Theke fest. Der Raum um mich herum begann, sich zu drehen. Schätze, der letzte Drink war einer zu viel für mich gewesen.
Julia senkte den Kopf. »Es bringt sicher nichts, aber ich war so wütend auf ihn.«
Ich wollte ihr die Schulter tätscheln, doch verlor beim Vorbeugen das Gleichgewicht. Ehe ich mich versah, rutschte meine Hand von der Theke und ich fiel in Julias Richtung. Dabei riss ich sie mit zu Boden.
Im nächsten Moment lag Julia flach auf dem Rücken und ich auf ihr.
Mein Herz raste. Ich lag auf einer Lesbe. Ich lag auf einer Lesbe! Mit zitternden Händen versuchte ich, mich aufzurichten. Dabei stützte ich mich auf was Weichem ab. Mein Blick folgte meiner Hand. Oh, Gott, ihre Brust. Ich riss die Hand weg und fiel wieder auf Julia.
Glücklicherweise griff mich jetzt jemand von hinten. Es war Daniel. Er half erst mir hoch und dann Julia.
Hoffentlich würde sich der Boden unter mir öffnen und mich verschlucken. Wie peinlich. »Es tut mir sooo leid, Julia. Echt. Isch … isch hab wohl etwas zu viel getr…«
»Wir hatten alle reichlich heute Abend«, unterbrach sie mich und klopfte sich was vom Hintern.
»Süße, lass uns nach Hause fahren«, sagte Nathalie.
»Nein, fahr du mit Daniel.« Olivers Aktion würde denen nicht auch noch den Abend verderben.
Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, doch ich stoppte sie. »Isch komm schon klar.«
Nathalie hob beide Augenbrauen, doch es war Daniel, der sagte: »Wir lassen dich nicht alleine nach Hause gehen.«
»Ich bring sie.«
Alle schauten zu Julia.
Was? Nie und nimmer. Hatte ich hier etwa nichts zu sagen? Ich würde mich sicher nicht von einer Lesbe nach Hause bringen lassen. Nicht einmal von Julia.
»So machen wir‘s«, sagte Nathalie und Daniel nickte.
Oliver schwieg weiterhin und starrte auf seine Füße.
»Julia, du bringst Scarlett nach Hause. Ist ja nicht weit. Und wir bringen Oliver ins Bett. Das liegt ja eh auf dem Weg. Aber nimm dann ein Taxi zurück. Nicht dass du allein in der Nacht rumwanderst. Ich geb dir auch das Geld«, sagte Daniel, und alle Beteiligten außer mir stimmten zu.
Ich kaute schweigend auf meiner Unterlippe herum.
»Wo ist eigentlich Anja?«, fragte Julia.
»Sie hat ein Taxi nach Hause genommen«, murmelte Oliver.
* * *
Das Laufen fiel mir nicht ganz leicht. Alles drehte sich. Hoffentlich würde ich nicht über die eigenen Füße stolpern.
Nach einigen Schritten blieb Julia stehen, und obwohl wir sehr langsam gingen, fiel es mir schwer, beim Stehenbleiben nicht hinzufallen. Julia seufzte. »Du kannst kaum laufen.«
Ich zuckte mit den Schultern. Zumindest war das meine Absicht. Tatsächlich schlackerten bei der Geste auch beide Arme in der Gegend herum.
Julia schüttelte den Kopf. »Es ist wirklich lächerlich. Normalerweise würde ich meinen Arm um dich legen und dich stützen, aber ich weiß genau, du würdest ausflippen.«
Konnte ich sie wirklich helfen lassen? Ach, warum eigentlich nicht? »Ich hak mich jetzt bei dir ein. Das hilft schon. Abba nur damit das hier klar is‘: Ich will nix von dir.« Bevor Julia etwas sagen konnte, fuhr ich fort: »Du bist schief gewickelt, wenne glaubst, bloß weile so verdammt gut aussiehst und sexy tanzen kannst, dass ich was von dir will.«
Julia hob eine Augenbraue. Dann streckte sie mir den Ellbogen entgegen und ich nahm den angebotenen Arm.
Daraufhin ging es wesentlich schneller voran.
»Ich seh dein Grinsen«, grummelte ich.
»Du findest also, ich sehe verdammt gut aus und tanze sexy?«
Als ich zu ihr rüberschaute, verlor ich beinahe das Gleichgewicht, aber Julia stützte mich mit ihrer freien Hand, bevor sie sie wieder hastig wegzog. »Was?« Hatte ich das wirklich gesagt? Verdammt. Meine Güte, der Alkohol bekam mir definitiv nicht.
»Nichts, schon gut.«
Meine Augen wurden zu Schlitzen. Was fiel
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