Zwei sind eine zu viel
dann kam der Schmerz zum zweiten Mal, he f tiger als zuvor. Ihr wurde kurz schwarz vor Augen. Dann drehte sich alles.
„ Na, das gefällt dir wohl nicht, was?“
Ihr Gesicht tat weh und ein leises Wimmern entwich ihr. Sie trat ein Stück zurück. Soweit es in dem engen Fahrstuhl möglich war. Ihr Kinn begann zu zittern, doch sie bekam es wieder unter Kontrolle. Okay, jetzt hatte sie Angst – richtige Angst. Sie konnte nicht mal mehr schreien. So fest hatte die Panik sie im Griff. Sie atmete tief durch. Sie wollte nicht, dass er ihre Angst sah.
*
Simon saß an seinem Schreibtisch, als es an der Bürotür leise klopfte. Hof f nungsvoll rief er: „Herein.“ Vielleicht war es Emma.
Es war Diana, die eine Tasse Kaffee für ihn in der Hand hielt und ein mü r risches Gesicht machte. „Guten Morgen, Herr Bogener“, brummte sie und stellte die Tasse ab. Das waren nur vier Worte, aber er konnte die Verärg e rung an seiner Assistentin deutlich spüren. Sie blieb wie angewurzelt vor se i nem Arbeitsplatz stehen. „Ihr Kaffee“, knurrte sie. „Und ein paar Kekse.“ Sie stellte einen Teller auf seinen Schreibtisch. Sie hatten eine ungesunde Farbe und leuchteten orange.
„ Danke.“
„ Die Kekse haben eine positive Energiebilanz. Die sollten sie alle essen.“
Er kannte seine Sekretärin gut. Gleich würde es über ihn hereinbrechen. Sie kochte innerlich und wartete nur noch auf den richtigen Moment. Er wusste, dass sie sich ihrer Stellung ihm gegenüber bewusst war. Das spezielle Ve r hältnis, das sie führten, hatte sie aber in der Vergangenheit nie davon abgeha l ten, ihm die Meinung zu sagen. Sie respektierte ihn, scheute sich aber nicht ihn zu kritisieren, wenn er es verdiente. Er schätzte das an ihr. Heute brauc h te er ihre Belehrungen nicht. Er machte sich selbst genug Vorwürfe.
„ Warum ist Frau Jakobsen weg? Diese Patrizia ist die Hölle, und das, o b wohl ich sie gerade erst kennengelernt habe. Wie konnten Sie Emma einfach auf die Straße setzen? Sie hatte doch gerade erst angefangen.“
Alter, das hast du mehr als vergeigt, schalt er sich still. Er räusperte sich und zwang sich, ihr ruhig zu antworten. „Diana, meinen Sie wirklich, ich hab Emma rausgesetzt? Sehen Sie mich nicht so an, ich habe das nicht veranlasst. Das ist ganz allein auf Martinas Mist gewachsen. Sie hat ihre Kompetenzen überschritten.“
Diana gab sich nicht zufrieden. Sie schnaufte und zog unglaubwürdig die Augenbrauen zusammen. „Dann trifft Sie also überhaupt keine Schuld?“
Sie wusste, dass sie mit ihrer Bemerkung richtig lag, das konnte er an ihrem Gesichtsausdruck sehen. Er seufzte und strich sich die Haare aus der Stirn. Er fühlte sich elend. „Nein, natürlich nicht. Mich trifft ein Großteil der Schuld.“ Er stand auf und trat ans Fenster. Es regnete in Strömen. „Ich hätte Martina informieren müssen – über alles. Aber, ich glaube, Frau Hochwein-Tungelhagen kam generell nicht gut mit Emma aus und deshalb hat sie über ihre Kompetenzen gehandelt.“
Bei dem Gedanken, wie Emma sich gefühlt haben mochte, nachdem Ma r tina ihr gekündigt hatte, zog sich sein Magen schmerzhaft zusammen. Warum war sie nicht zu ihm gekommen? Warum hatte er sein verdammtes Handy ausgeschaltet gehabt?
„ Sie stellen sie doch wieder ein, oder?“, fragte seine Sekretärin besorgt.
Er nickte. „Ich werde noch viel mehr tun.“
Diana stell t e sich zu ihm neben das Fenster. „Rufen Sie sie an. Aber essen sie vorher einen Keks. Das ist wichtig.“
Er gab ein Geräusch von sich, das entfernt wie ein Lachen klang. „Was meinen Sie, was ich den ganzen Morgen versuche? Sie ist nicht zu Hause, da war ich bereits. Sie ist weg und ich weiß nicht, wie ich sie finden soll.“
„ Essen sie einen Keks“, war alles, was Diana dazu sagte.
Vierundzwanzig
Emma kauerte weiter auf dem Boden in der Ecke des Aufzuges, unschlüssig, was sie tun sollte. Das Adrenalin schoss ihr durch die Adern und die kleinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Lange würde sie es mit Jörn nicht aushalten. Er war ihr körperlich weit überlegen und der Fahrstuhl bot keine r lei Schutz. Sie wollte ihn nicht unnötig provozieren, deshalb stand sie lan g sam auf und lehnte sich erschöpft mit dem Rücken gegen die Fahrstuhlwand.
Er sah sie zufrieden an. „Das wird ein schönes Veilchen geben.“ Er griff grob nach ihrem Kinn und begutachtet e ihre Wange. Es schien ihm nicht leidzutun. Er stand einfach da, sah sie an. Sie war
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