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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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sich seitdem keinen Zentimeter von der Stelle bewegt. Ist das da eine Gitarre auf seinem Schoß? Ich verfluche meine Eitelkeit, denn wenn ich weniger eitel wäre, hätte ich jetzt eine Brille auf der Nase und könnte etwas sehen.
    Ich nehme die Kopfhörer aus den Ohren und kneife die Augen zusammen. Der Wind weht Musikfetzen zu mir hinauf. Tatsache. Dieser Typ sitzt am Meer und spielt Gitarre. Ich weiß nicht, ob ich das jetzt blöd finden soll oder faszinierend. Ich meine, es gibt ja auch Jungs, die sich mit Aktionen wie diesen bloß inszenieren, weil sie wissen, dass es Mädchen gibt (so wie mich), die auf genau so was stehen: sensible Typen mit Tiefgang und Gitarre. (»Bist du sensibel? Spielst du Gitarre? Willst du mich heiraten?«)
    Mir werden zwei Dinge bewusst: Erstens hat der Typ dort unten für eine Show verdammt wenig Publikum und zweitens hatte Oliver keine Gitarre. Ich verdränge den zweiten Gedanken und konzentriere mich auf den ersten. Ich würde gerne hören, was er spielt und ob er dazu singt, aber der Wind ist ein fieser Geizhals und versorgt mich nur spärlich mit Schallwellen.
    Ich würde auch gern ein Instrument spielen können! Nach den Sommerferien beginnt mein Klavierunterricht. Ich kann es kaum erwarten, aber ich glaube, bis ich spielen kann, was ich will, liegt noch eine lange Durststrecke vor mir. Vielleicht kann ich mich ja bis dahin mit Grunge-Versionen von Alle meine Entchen über Wasser halten.
    Der Gutschein für den Klavierunterricht war (von meinem neuen Handy abgesehen) das coolste Geburtstagsgeschenk, das meine Eltern mir je gemacht haben. Ich glaube, mein Vater findet es gut, dass das Klavier im Wohnzimmer bis zu seiner Pensionierung nicht einstaubt, weil er es im Grunde liebt, aber vor lauter Babys trotzdem nicht mehr dazu kommt, darauf zu spielen. Und meine Mutter? Ich schätze, die ist einfach nur froh, dass ich nicht beschlossen habe, Schlagzeug zu lernen.
    Mist. Es fängt an zu nieseln. Und wenn ich mir die grauen Wolken anschaue, die da über dem Wasser hängen, wird das noch ein richtiger Regen. »Du bist doch nicht aus Zucker«, sagt Doro immer, wenn meine Mutter beim ersten Tröpfeln den Schirm aufspannt. Also hysterische Regenschirmbenutzer finde ich auch total blöd (vor allem die, die aus dem Bus steigen und dir noch auf der Schwelle mit ihrem Schirm versuchen die Augen auszustechen). Aber in klammen Klamotten und vor allem ohne Schokokekse (der letzte tanzt gerade in meinem Bauch Ballett) bei Windstärke 1000 auf der Titanic zu sitzen, ist auch uncool. Ich beschließe also, das sinkende Schiff zu verlassen, und bin erleichtert, als auch der Typ mit der Gitarre seine Sachen packt.
    Hi, Pauline,
hoffe, du kommst mal an nem internetcafé vorbe i … spekulier auf dein bedürfnis nach zivilisation, so als großstadtmädchen, mein ich.
bestimmt hast du eine tolle zeit in portugal.
bin also nicht mit isa in spanien. hab dir die kurzfassung ja schon am telefon erzählt. würd dir die ganze geschichte gern mal bei nem
kaffee (oder nem doppelten whiskey :o)) in
berlin erzählen, oder kommst du doch mal
wieder in die provinz?
vermiss deine sprüche! die würden die melancholie vertreiben und den kloß in meinem hals. aber eigentlich hab ich keinen grund, mich zu beschweren. bin bei meiner tante doro. weißt schon, die voodoo-priesterin an der ostsee.
sie hat jetzt sogar ne neue medizin gegen geistige leere: tibetischen himalaya-lotus und »action-painting« (vergiss, was du im kunstunterricht gelernt hast!). voll komisch, ich bin erst ein paar tage hier und fühl mich schon nicht mehr ganz so zertrümmert, wegen o.
und s o … vorgestern hab ich so nen komischen typ am strand gesehen, der saß da
und hat auf seiner gitarre gespielt. gestern war er auch wieder da und heute schon wieder. heute hab ich mich ganz in seine nähe gesetzt, weil ich wissen wollte, was er den fischen so vorspielt. (ham fische eigentlich ohren?) du, der hat so eine schöne stimme! (und schöne haare! :o)) ich frag mich, warum der da immer so alleine rumsitzt. hat bestimmt schon
gemerkt, dass ich ihn beobachte. zumindest hat er mich heute angelächelt, als er ging. wenn der morgen wieder da ist, setz ich mich zu ihm, also, wenn er nix dagegen hat. oder ist das doof? mann, pauline, mach doch mal nen blöden spruch!

kuss, deine marie
    Ich sitze auf der Titanic und warte. Das Wetter ist so schlecht wie meine Laune. Er ist nicht gekommen.
    Warum bin ich überhaupt enttäuscht? Schließlich waren wir nicht

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