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Zwei Sommer

Zwei Sommer

Titel: Zwei Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Keil
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aber mir fiel in diesem Augenblick nichts Besseres ein. Außerdem war ich wütend auf Zeisig, der mich die ganze Zeit kein einziges Mal unterbrochen hatte, obwohl ich ganz offensichtlich Schwachsinn erzählte. Darum killte ich stattdessen Martin Luther per Guillotine und wünschte ihm einen extradicken Nacken.
    »Guillotine? Martin Luther? Das ist mir neu«, kommentierte er meine Worte mit einem abschätzigen Glucksen. Zeisig wollte mich vorführen, so viel stand fest.
    Wir beide wussten: Er hat die Macht und ich habe das Unwissen. Und hätte Zeisig so etwas wie Mitgefühl gehabt, hätte er mich kommentarlos auf meinen Platz kriechen lassen. Zeisig jedoch wollte ein Exempel statuieren. Er wollte allen demonstrieren, und zwar an mir, was mit Leuten passiert, die sein Fach nicht ernst nehmen.
    Aber was er nicht wusste, war, dass ich bereits alles verloren hatte, was mir wichtig war. Dass ich mein Abitur verschenkt hätte für ein Kamtschatka von Isa oder für einen Anruf von Oliver. Dass mir das Leben egal war, das sich andere für mich ausgedacht hatten.
    »Wissen Sie was? Ihr Scheiß-Luther ist mir so was von egal! Der hätte sich doch freiwillig köpfen lassen, wenn Sie sein Lehrer gewesen wären!«, platzte es aus mir heraus.
    Ich stürzte aus dem Klassenzimmer und versteckte mich für den Rest der Stunde auf dem Klo.
    Ich flennte Rotz und Wasser ins Waschbecken und hatte das Gefühl, gerade mein Abi in das weiße blanke Oval hineinzuheulen. Im ersten Moment wünschte ich mir ausgerechnet Oliver herbei. Er sollte sehen, wie ich seinetwegen sozialen Selbstmord beging! Insgeheim hoffte ich, wenigstens er wäre stolz auf mich und meine große Klappe. Mittlerweile weiß ich natürlich, dass er nicht mal bei mir geblieben wäre, wenn ich an diesem Morgen für irgendeine Heldentat von der Schule geflogen wäre. Ich war ihm egal geworden. Und das ist in Wahrheit das Gegenteil von Liebe: Gleichgültigkeit.
    Ich weiß nicht, wie ich überhaupt auf die irrsinnige Idee kam: Aber dass Isa in der Pause nicht kam, um nach mir zu sehen, tat furchtbar weh. Es tut sogar jetzt noch weh, wenn ich daran denke.
    »Na, Schiss?« Janos. Wir stehen an den Klippen und schauen in die Tiefe. Die Wellen klatschen gegen die Felsen, ziehen sich wieder ins Meer zurück und hinterlassen nichts als Schaum auf dem nackten Stein. Die große Lady hat schlechte Laune. Oder extrem gute. Ich beherrsche die Psychologie des Meeres noch nicht so perfekt.
    Ich schüttle den Kopf. »Ich hab keine Höhenangst«, sage ich und setze mich wie zum Beweis an den Rand des Felsens und lasse die Beine baumeln. Janos setzt sich zu mir. Aus den Augenwinkeln sehe ich Holle und Lilli, die auf der Wiese liegen und sich sonnen.
    »Echt schön hier«, sage ich, schließe die Augen und lasse mir den warmen weichen Wind um die Nase wehen. Als ich die Augen wieder aufmache, sehe ich, dass Janos mich beobachtet.
    »Is’ was?«
    »Nö. Ich schau dich halt gern an.«
    Ich merke, wie ich rot werde. »Bin doch kein Bild.«
    »Warum bist du so?«, fragt er.
    »Wie – ›so‹?«
    »Als hättest du ein kleines Monster in deinem Bauch, das dir verbietet nett zu sein.«
    »Nett! Was habe ich denn davon, nett zu sein? Sind die anderen vielleicht nett zu mir?«
    »Mann, Marie, ich weiß doch, dass dir jemand sehr wehgetan hat. Aber es sind doch nicht alle Menschen gleich.«
    »Nee, schon klar. Du bist natürlich ganz anders.«
    »Weißt du’s?«
    »Und warum sagt Holle dann diese Sachen über dich?«
    Ich merke gleich, dass ich sein absolutes Lieblingsthema angeschnitten habe. Janos hört leider sofort damit auf, mich anzuschauen. »Vielleicht weil ich mal jemandem sehr wehgetan habe, den er sehr gern hat.«
    »Du brauchst mir das nicht erzählen. Es geht mich ja auch eigentlich gar nichts an«, sage ich.
    Janos räuspert sich. »Na ja, manchmal tut man Menschen weh, ohne dass man es will und obwohl man sie sehr, sehr mag.«
    »Aber das ist doch total beknackt!« Einen Augenblick ist es ganz still zwischen uns. »Und du meinst, das gilt auch für Isa? Ich musste im Auto vorhin die ganze Zeit an sie denken.«
    »Vermisst du sie?«
    »Glaub schon. Doof, oder?«
    Janos schüttelt mit dem Kopf. »Nö. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass sie mindestens genauso oft an dich denkt.«
    »Ich meine, die Vorstellung bringt mich fast um, dass sie jetzt mit Oliver da am Stran d … abe r …«
    »… dass ihr nie wieder auf deinem Bett im Schlafanzug zu Dirty Dancing tanzt, tut auch

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