Zwei Sommer
dir Schluss gemacht?«, fragte Janos da wie aus dem Nichts. Ich sah ihn an und wunderte mich über diese Frage.
»Isabell a …«, begann ich mühsam.
»… ist vielleicht nicht die Antwort auf alle Fragen«, unterbrach er mich.
»Dann sag du’s mir. Du bist doch hier der Herzensbrecher!« Mein Tonfall geriet schärfer als beabsichtigt, dabei sollte es eigentlich wie ein Scherz klingen.
»Wie du willst«, entgegnete er ruhig und nahm mal wieder einen tiefen Zug aus seiner Zigarette.
»Der Scheiß bringt dich um«, warf ich ein, um auch mal was Gemeines zu sagen und weil mich seine Gelassenheit zum ersten Mal in dieser Nacht ankotzte. Er ließ meine Gemeinheit mit einem Nicken ins Leere laufen.
»Als Herzensbrecher sag ich dir: Sie ist die einfachste Erklärung für ihn. Aber sie ist allerhöchstens ein Symptom und ganz bestimmt nicht die Ursache für eure Trennung. Und als Janos sag ich dir: Sie ist auch die einfachste Erklärung für dich.«
Ich war irritiert und vor den Kopf gestoßen von so viel unangenehmer Information. Es vergingen unendliche Minuten, in denen wir beide schweigend nebeneinandersaßen, immer noch sieben Zentimeter zwischen uns, die ich plötzlich nicht mehr missen wollte. Etwas in mir sträubte sich gegen die Aufrichtigkeit seiner Antwort und gegen das Gefühl meiner eigenen Sprachlosigkeit. »Mm h … darüber muss ich mal bei Tageslicht nachdenken«, entgegnete ich schließlich ausweichend.
»Marie?«
»Oh, bitte, keine Weisheiten mehr für heute.« Ich drückte ihm die leere Flasche Wein in die Hand und klemmte meine Hände in den Schoß.
Dann geschah etwas, womit ich nicht gerechnet hatte und was mir jetzt vollkommen unwirklich erscheint. Janos beugte sich zu mir herüber und gab mir einen Kuss auf die Wange. Ich sah ihn an, doch er schaute stur geradeaus.
»War das jetzt Janos oder der Herzensbrecher?«, fragte ich leise und betrachtete ihn von der Seite. Wein macht dumm und mutig.
»Such’s dir aus«, sagte er bloß und starrte weiter in die Glut, die noch übrig war.
Ich kann mich bis jetzt nicht entscheiden. Ich weiß, dass Janos mich auf sonderbare Weise beschäftigt. Ich weiß aber auch noch, was Holle gesagt hat. Und ich weiß, dass ich kein Material sein will, das jemand für irgendeinen Song verwurstet. Außerdem soll Janos bloß nicht denken, er braucht nur mal Immortality zu singen und schon hat er mich in der Tasche.
6
Seltsam, aber wenn ich jemals jemandem erklären müsste, wie ich mir die DDR vorstelle, dann würde ich ihm wahrscheinlich genau dieses kleine Nest beschreiben, in dem wir gerade an der Ampel stehen – Janos, Holle, Lilli und ich. Lilli heißt eigentlich Elisabeth und ist das Mädchen mit den langen braunen Haaren, neben dem ich gestern am Feuer saß.
In dieser Gegend gibt es Läden, von denen ich annehme, sie müssten in einer Einkaufspassage bei mir zu Hause längst ausgestorben sein. Da wäre zum Beispiel »Hannos Getränkeeck«. Die graubraune Fassade des Hauses gammelt in friedlicher Eintracht mit jener des »Friseursalons Uschi« vor sich hin, der nebenan mit einem Papp-Aufsteller und der Auskunft »2 0 Jahre Salon Uschi – ein fescher Schnitt muss nicht viel kosten« auf ein denkwürdiges Jubiläum hinweist. Vor der Einfahrt parkt tatsächlich ein Trabi.
Ist es vielleicht das, was meine Mutter meint, wenn sie von »diesem gewissen Ost-Charme« redet? Dann bin ich aber froh, die DDR um ein Jahr verpasst zu haben. Ist doch wahr. Ein Land, in dem es verboten sein soll, die Beatles zu hören, aber in dem es erlaubt ist, seine Kinder »Uschi« zu nennen, das kann ja nichts werden. Ich verstehe vielleicht nichts von Politik, aber »Uschi« – das ist in meinen Augen wirklich ein Verbrechen.
Ich sitze auf dem Rücksitz eines kleinen schwarzen VW-Kapitalisten-Polo und klebe gelbe Kapitalisten-Gummibärchen an die Fensterscheibe.
»Was machst’n da?«, fragt Holle, mit dem ich mir die Rückbank teile.
»Die sollen auch mal was sehen von der Welt«, erwidere ich und muss immer noch an die DDR denken und daran, dass meine Mutter wahrscheinlich ziemlich enttäuscht wäre, wenn sie wüsste, wie ihre Tochter sich die DDR vorstellt.
»Du hast ja’n Knall«, sagt Holle und greift in die Tüte, die zwischen uns liegt. »Es ist ihre Bestimmung, gegessen zu werden«, philosophiert er. »Und zwar von mir.« Holle schiebt sich demonstrativ eine Bärchen-Großfamilie in den Mund und schmatzt.
»Wie weit ist es denn noch?«, fragt Lilli und ist dabei
Weitere Kostenlose Bücher