Zwei Sonnen am Himmel
einzigartig, als ob die Geister des Lichts, der Luft und des Wassers seine Hände führten. Ich habe ihn manchmal spielen hören und werde ihn nie vergessen. Noch heute meine ich oft, sein Spiel im Traum zu hören. Sein Name war Ato.«
Er schwieg einen Augenblick und sprach dann langsam weiter: »Als Atara merkte, dass sie schwanger war, beschloss sie Ato als ihren Gemahl an ihrer Seite zu erheben. Nach dem Mutterrecht sollten ihrem Kind alle Adelsprivilegien zustehen und es würde als Thronerbe anerkannt werden. Doch da schaltete sich Atlar ein, der durch Spitzel über alle Vorgänge am Hof unterrichtet war. Er sah hierin die Chance, sein Ziel zu erreichen. Und so lieà er Ato ermorden. Die sensible junge Herrscherin konnte diesen Schlag nicht überwinden und erkrankte vor Kummer. Die Ãrzte waren machtlos. Ihre Kräfte lieÃen mehr und mehr nach: Sie vermochte nicht, sich den dunklen Machenschaften ihres Bruders entgegenzustellen. Atlar sah seine Stunde gekommen. Es gelang ihm, den Hofstaat und die Priesterinnen davon zu überzeugen, dass Atara nicht mehr in der Lage war, das Reich der Atlantiden kraftvoll zu regieren. Eine erneute Bedrohung durch die Barbaren versetzte zudem das Volk in Angst und Schrecken und so lieà man es zu, dass Atlar das heilige Gesetz brach und sich die Macht aneignete. Dann kam die Zeit, da Atara ihr Kind - einen Sohn - gebar. Nur Rea, ihre alte Amme, war anwesend. Die Geburt hatte Ataras letzte Kräfte gefordert. Da ihr Lebensmut gebrochen war, weigerte sie sich den Trunk, der sie hätte retten können, zu sich zu nehmen. Aber sie wusste, dass Atlar nicht zögern würde ihren Sohn zu beseitigen, um sich den Thron endgültig zu sichern. So vertraute sie Rea das Neugeborene an, streifte den Königsring von ihrem Finger und sprach: âºNur meinem Sohn, dem rechtmäÃigen Erben von Atlantis, steht dieser Ring zu. Wenn ein anderer versuchen sollte den Ring in seinen Besitz zu bringen, so soll er ins Meer geworfen und Poseidon als Opfergabe dargebracht werden.â¹
Das waren ihre letzten Worte; sie dämmerte in Fieberträumen dahin. Im Morgengrauen verschied sie.
Verzweifelt sann Rea auf eine List, um das Kind in Sicherheit zu bringen. Der Zufall kam ihr zu Hilfe: Eine der Palastdienerinnen hatte in der gleichen Nacht einen tot geborenen Sohn zur Welt gebracht. Rea verpflichtete die Frau durch einen Eid zum Schweigen, vertauschte die beiden Säuglinge und lieà Atlar wissen, dass Mutter und Kind ums Leben gekommen seien. Atlar heuchelte groÃen Schmerz. Er raufte sich die Haare, zerkratzte seine Wangen und streute Asche auf sein Haupt, aber innerlich jubelte er: Jetzt war er endgültig der Herrscher von Atlantis! Doch als er den Ring der Macht in seinen Besitz nehmen wollte, bemerkte er mit Bestürzung das Fehlen des Schmuckstücks. Da warf sich Rea ihm zu FüÃen und erzählte unter Tränen, ihre Herrin habe den Ring ins Meer geworfen, um sich über den Tod hinaus an den Mördern ihres Geliebten zu rächen.
Atlar lieà sich täuschen. In aller Heimlichkeit beauftragte er den besten Goldschmied des Landes eine Nachbildung des heiligen Ringes anzufertigen. Kurze Zeit darauf fand der Goldschmied unter geheimnisvollen Umständen den Tod. Rea spürte, dass auch ihr Leben bedroht war, denn es lag Atlar viel daran, alle unbequemen Zeugen aus dem Weg zu schaffen.
Reas ältester Sohn hatte bei mir gedient und eines Tages hatte ich ihm bei einem Schiffbruch das Leben gerettet. In ihrer Not zog sie mich ins Vertrauen und so erfuhr ich die schreckliche Wahrheit. Wir ersannen einen Plan, um das Kind in sichere Obhut zu bringen. Ich kannte einen Bauern, der unserer Familie treu ergeben war. Er lebte mit Frau und Kindern in einem abgelegenen Dorf in den Weinbergen, fünf Tagesritte von Poseidonis entfernt. In der Nacht brachte mir Rea das Kind. Sie überreichte mir auch den Ring, den ich an einem sicheren Ort versteckte. Heimlich verlieà ich den Palast. Ich ritt allein, als Handwerker verkleidet. Unterwegs verschaffte ich mir Milch für das Kind bei Ziegenhirten, die am Wegrand lagerten. Die Reise verlief ohne Zwischenfälle. Den Bauern erzählte ich, das Kind sei der Sohn einer Priesterin, die diese Geburt geheim halten wollte. Ich lieà durchblicken, dass ich der Vater sei, und sie gaben mir das Versprechen, das Kind wie ihr eigenes zu behandeln. Beruhigt trat ich die Heimreise an. Als ich in
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