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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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den Palast zurückkehrte, wurde mir berichtet, dass Rea beim Herunterschauen von der Festungsmauer tief hinunter auf den Vorhof gestürzt war. Sie soll auf der Stelle tot gewesen sein …«
    Torr verstummte eine Weile und fuhr dann fort: »Die Zeit verging. Atlar herrschte über Atlantis. Aber er war nicht der rechtmäßige Erbe und kannte daher nicht das Geheimnis der Pflanze, die die ewige Jugend verleiht. Atara hatte dieses Wissen mit in den Tod genommen. Atlar setzte alles daran, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Er umgab sich mit Alchimisten und Astrologen und widmete sich der schwarzen Magie. Dadurch erlangte er ein gefährliches Geheimwissen. Doch die Seelen der verstorbenen Könige verfolgten ihn mit ihrem Fluch: Das Geheimnis der wunderbaren Pflanze blieb ihm bis heute verborgen.«
    Wieder verstummte er.
    Â»Was geschah mit dem Kind?«, fragte Usir mit rauer Stimme.
    Torr lächelte zum ersten Mal. »Als ich dich holen kam, warst du neun Jahre alt. Du hast nach Ziegendung gerochen und hattest mehr Flöhe an dir als ein Hütehund. Ich wusch dich von Kopf bis Fuß, bevor ich dich auf mein Pferd setzte. Im Palast gab ich dich als meinen Neffen aus, dessen Erziehung ich übernehmen wollte. Und von dem Tag an verfolgte ich nur das einzige Ziel, dich für die Aufgabe vorzubereiten, für die du geboren wurdest …«
    Er erhob sich. Ehrfurchtsvoll nahm er den Ring aus dem Kästchen und gab Usir ein Zeichen. Der junge Mann trat nah zu ihm heran - wie im Traum. Torr streifte ihm den Ring über den Finger. Er passte genau. Im flackernden Licht war ihm, als ob die ineinander gewundenen Schlangenkörper lebten und atmeten. Der Stein funkelte wie der grün aufleuchtende Ozean, wenn die letzten Strahlen der Sonne sich in ihm spiegelten, bevor sie ins Reich der Nacht versanken. Sein Glanz erweckte in Usir die Erinnerung an sprühende Smaragdaugen, an eine kühle, messerharte Stimme, an ein Gesicht, das die Farbe von goldenem Honig hatte - Torr stand vor ihm, schweigend und erschüttert. Endlich sprach er. Seine Worte klangen dumpf und feierlich in der lastenden Stille.
    Â»Der Ring gehört dir. Bald kommt der Tag, an dem du ihn tragen wirst …«
    Und dann beugte er vor Usir das Knie und verharrte regungslos, das Haupt auf die Brust gesenkt.

10
    Das Gemach lag auf der Westseite des Palastes. Die Wände waren mit roten Spiralen und weißen Blüten bemalt, der Boden abwechselnd mit weißen und blauen Platten belegt. Das Ruhebett aus Ebenholz, mit Pfauen und Kranichen verziert, bedeckte ein goldgesäumter Überwurf aus Fuchsfellen. Man hatte Isa die Ketten abgenommen und sie der Obhut einer Schar kichernder Frauen überlassen, die ihr die Rüstung aufschnürten und die staubigen und blutbefleckten Kleider vom Körper zogen. Dann nahmen sie sie wie ein Kind an die Hand und führten sie in ein Badezimmer, das mit blau schillernden Mosaiksteinchen ausgelegt war. Abwechselnd heißes und kaltes Wasser floss aus zwei großen, silbergefassten Löchern in der Wand. Isa verbarg ihr Staunen. Sie ließ sich von den Frauen einseifen, abwaschen und abspülen und versuchte das Geschnatter um sie herum zu überhören. Ihr einziger Gedanke war, einen günstigen Augenblick abzupassen, um die Flucht zu ergreifen. Sie sann darüber nach, während die Frauen sie in ein weiches Badetuch hüllten, ihren Körper mit Rosenöl einrieben und ihre Wunden pflegten. Ihr Haar wurde so lange gebürstet und gekämmt, bis es in sanftem Glanz erstrahlte. Isa lehnte es ab, sich das Haar in einem kunstvollen Knoten aufstecken zu lassen, wie ihn die Frauen im Palast trugen. Es sollte in blond schimmernden Wellen bis zu den Hüften herabhängen, wie sie es bislang zu tragen pflegte. Unter den ihr zur Auswahl überlassenen Kleidern wies sie die mit Schmuck, Stickereien und bunten Troddeln überladenen Gewänder zurück und wählte eine kurze, perlmutterfarbene Tunika. Während die Frauen kamen und gingen, hatte sie bemerkt, dass die Tür des Gemachs bewacht wurde: Zwei Wachtposten standen draußen vor der Schwelle. Ihre Speere blitzten im Fackellicht, das die Gänge erleuchtete.
    Isa überlegte. Selbst wenn es ihr gelingen sollte, sich eine Waffe zu beschaffen und sich der Aufsicht der Wächter zu entziehen, würde sie nicht weit kommen. Der Palast war riesengroß, sie würde sich zwangsläufig in den

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