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Zwei Sonnen am Himmel

Titel: Zwei Sonnen am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Schließlich sah er keinen anderen Ausweg als sich Torr anzuvertrauen. Er erzählte ihm von den Gefühlen, die Isa in ihm erweckt hatte, und von seinem Willen, sie zu retten. Früher hätte er nie gewagt den Admiral mit dieser Angelegenheit zu belästigen. Aber seitdem Torr das Knie vor ihm gebeugt und ihm gehuldigt hatte, waren ihre Beziehungen zueinander verändert. Usir spürte es an seiner eigenen Haltung und auch an der des Admirals. Dieser war nicht mehr der Befehlende, der von seinem Untergebenen unbedingten Gehorsam forderte, sondern ein weiser, gütiger Mann, der einen ungestümen jungen Fürsten in respektvoller Zuneigung unterwies.
    Â»Ich verstehe und achte deine Gefühle«, antwortete er auf Usirs Bekenntnis hin. »Du weißt, ich gehörte stets zu jenen, die ein Bündnis mit dem stolzen Volk der Amazonen befürworteten. Aber Isa zur Flucht zu verhelfen erachte ich als ein Unternehmen von größter Kühnheit, ja, als ein allzu großes und gefährliches Wagnis. Jedermann weiß im Palast, dass denjenigen, die sich Atlars Entscheidungen zu widersetzen wagen, fürchterliche Strafen bevorstehen. Einen Sklaven zu bestechen wird zu nichts führen. Die Leute fürchten sich.«
    Usir nickte düster. Er hatte zehn Jahre im Palast verbracht, umgeben von Intrigen, Drohungen und Geheimnissen. Von Zeit zu Zeit verschwanden Menschen ohne eine Spur zu hinterlassen, nicht nur Höflinge und Würdenträger, sondern auch hohe Minister und Priester. Die Familien verbrachten jeweils einige Zeit mit bangem Warten. Dann veranstalteten sie die üblichen Feierlichkeiten zu Ehren der Verstorbenen. Das war alles. Von den Verschwundenen wurde nicht mehr gesprochen. Ja, man vermied es sogar, ihren Namen zu nennen. Es war so, als hätten sie nie gelebt …
    Die Stunde kam heran, da die Lampen angezündet wurden. Die Schatten huschten über die Wände wie aufgescheuchte Fledermäuse. Unwillkürlich spürte Usir, wie er schauderte.
    Die Falten eines Vorhangs teilten sich. Weiß gekleidet und barfuß trat Kihoro, einer der Kammerdiener des Admirals, in den Raum.
    Â»Was gibt’s?«, fragte Torr.
    Der Jüngling senkte die Augen. »Der Priester-König lässt dir ausrichten, dass er dich in der ersten Stunde nach Sonnenaufgang zu einer Audienz erwartet.« Torr nickte. »Es ist gut«, sagte er gelassen. »Du kannst gehen.«
    Kihoro verbeugte sich und verließ den Raum ebenso lautlos, wie er gekommen war.
    Torr und Usir sahen sich an. Usirs Herz schlug wie ein Hammer in seiner Brust. Hatte Kihoro ihr Gespräch belauscht?
    Torr sagte mit rauer Stimme: »Meine Zeit ist abgelaufen. Ich spüre den Schatten des Verhängnisses …«
    Usir presste die Lippen aufeinander. Seine Hand fuhr an den Griff seines Degens. »Bin ich ein Feigling, dass ich dich deinem Schicksal überlasse? Du hast mein Leben gerettet, mir Vater und Mutter ersetzt und mich in meinen Rechten und Pflichten unterwiesen. Wie könnte ich tatenlos zusehen, wenn man die Hand gegen dich erhebt?«
    Torr schüttelte den Kopf. »Das Schicksal übertrug dir ehrenvolle Aufgaben. Ich gab dir alles mit auf den Weg, was du wissen musst. Du wirst schon spüren, wenn deine Zeit gekommen ist …«
    Usir war bis ins Tiefste seines Herzens betroffen, aber er erwiderte nichts.
    Torr fuhr fort: »Ich ziehe es vor, auf würdige Weise in meinen Gemächern zu sterben, und nicht, auf der Flucht ergriffen zu werden, damit der ganze Palast Zeuge meiner Schande wird.« Er legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Was Isa betrifft … sei geduldig! Ich will versuchen von Atlar selbst etwas in Erfahrung zu bringen.«

12
    In jener Nacht fand Usir keinen Schlaf. Sein Geist war aufgewühlt. Stunde um Stunde verging. Usir wälzte sich in seinem Bett. Manchmal traf ein Luftzug seine nackten Schultern und sein ganzer Körper erschauderte: Er fühlte die Gefahr mit allen Fasern des Seins. Selbst die Luft, die er einatmete, schien von einem Beben erfüllt, das spürbar war wie ein Flügelschlag …
    In Torrs Gemach brannten noch lange die Lampen. Auch der Admiral wachte. Usir wagte jedoch nicht, ihn in seinen Räumen aufzusuchen. Er spürte, dass Torr in dieser Nacht allein sein wollte.
    Erst gegen Morgen schlief Usir ein. Doch es war kein ruhiger, erfrischender Schlaf, sondern ein fieberndes Hinüberdämmern, ein Versinken

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