Zwei Stunden Mittagspause
systematisch und konsequent, und du liebst sie noch immer, rennst ihr nach und belügst dich selbst. Denn du weißt längst, daß Margot für dich verloren ist, daß du nur einen Schatten suchst. Ob sie sich nun hier versteckt oder auf Mallorca oder am Nordpol … du holst sie nie wieder zurück!
Benno Großmann hatte wenig von dem Flug. Stumpf vor sich hinbrütend saß er in seinem weißen Klappsessel, schnallte sich an, wenn die Stimme der Stewardeß es befahl, schnallte sich dann wieder ab, aß unlustig den servierten Imbiß, stieg in Marseille um, starrte mit leeren Augen über das tintenblaue Mittelmeer unter sich und verließ das Flugzeug auf dem Flugplatz Palma mit der gleichen erschreckenden inneren Leere. Ein ausgebrannter Mensch, ein Stück Schlacke, weiter nichts.
Mit einem Taxi, das er mit viel Glück und Peseten ergatterte, fuhr er nach Palma, bis zu dem herrlichen Platz vor der Kathedrale. Er hatte kein Hotel angegeben, nur »Palma!« gesagt, also hielt der Fahrer mitten in der Stadt, stieß die Tür auf und nickte ihm zu. »Buenos diaz, Señor!«
Endstation.
Großmann stieg aus, trat in den Schatten einer Häuserwand und schlug einen bunten Reiseprospekt auf, den er sich in einem Reisebüro im Flughafen hatte geben lassen.
Die Hotelliste. Eine lange Spalte. Romantische Namen. Er kannte nur das Palma National. Dort hatte er mit Margot gewohnt. Vier glückliche Wochen. Ein ewig sonniger Himmel, auch in der Nacht flammende Glut, denn Margots Liebe war heißer als die hitzegetränkten Steine am Meer.
Sie ist immer ein Luxusgeschöpf gewesen, dachte Großmann. Aber es hatte ihm gefallen, er ließ den Glanz ihrer Schönheit auch auf sich zurückstrahlen, er wärmte sich an dem Interesse der anderen Männer. Sie gehörte ihm, ihm allein … das war ein Triumph, in den er im Laufe seiner Ehejahre ein Vermögen investiert hatte.
Von jeher war Großmann ein Mann mit System gewesen … der Aufschwung seiner Fabrik, die er von seinem Vater mit zwölf Mann Belegschaft geerbt hatte und die jetzt zweitausend Beschäftigte zählte, bewies das.
»Die Logik ist das Geheimnis des Erfolges«, sagte er immer. Bisher war dieser Lehrsatz seines Lebens ihm immer treu geblieben.
Großmann begann seine Hotelrunde im Miramare. Der Chefportier hinter der edelholzverkleideten Theke der Rezeption ließ sich das Gästebuch geben und blätterte darin herum.
»Señora Großmann?« fragte er und fuhr mit dem Finger die Reihen der Eintragungen ab. »Bedaure, nein. Keine Señora Großmann hier! Ist sie wirklich hier abgestiegen?«
»Ich weiß es nicht.« Großmann holte ein Foto aus der Tasche. Es zeigte Margot in einem Ballkleid aus grünem Brokat, ein Chinchillacape lose um die nackten Schultern. Ein königliches Foto.
Der Portier betrachtete es fast mit Ehrfurcht – er verstand etwas von schönen Frauen. Palma war voll von ihnen … vom Januar bis Dezember. Eine Insel der schönen Frauen, der Liebe, der Verschwiegenheit, des eroberten und auch des erkauften Glücks.
»Es ist eine wichtige Angelegenheit«, log Großmann, als er die versteckte Abwehr des Portiers bemerkte. »Ich bin kein Detektiv … ich bin Anwalt. Notar aus Deutschland. Frau Großmann hat eine umfangreiche Erbschaft gemacht, durch den Tod eines Onkels, unter anderem auch Grundstücke hier auf Mallorca und auf Ibiza. Wir wissen nur, daß Frau Großmann seit einigen Wochen hier wohnt, kennen aber nicht ihre Anschrift. Wenn Sie uns helfen können …« Er schob einen großen Pesetenschein über die Theke.
Der Portier legte seine Hand darauf und sagte mit echtem Bedauern: »Die Señora wohnt nicht bei uns.«
»Sie haben sie auch nie gesehen?«
»Bedaure, Señor. Glauben Sie mir, sie wäre mir aufgefallen …«
Großmann zog weiter. Von Hotel zu Hotel. Vom Palma Star bis zum Olivia, vom National bis zum Mimosa.
Überall geschah das gleiche: Blättern in der Gästeliste, Betrachten des Fotos, die Erklärungen wegen der Erbschaft, ein Schein auf dem Rezeptionstisch, aufrichtiges Bedauern, bewundernde Worte für Margots Schönheit.
Am Spätnachmittag saß Großmann im Garten vom National. Er hatte sich dort ein Zimmer genommen und sich zunächst nach diesem anstrengenden Tag kalt geduscht und erfrischt. Nun saß er unter einer Palme, blickte über das bunte Treiben im Swimming-pool und zog die Bilanz seines ersten Tages.
Die großen Hotels waren ein Fehlschlag gewesen. Blieben noch die Pensionen. Und wer sagte überhaupt, daß Margot hier in Palma wohnt?
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