Zwei Stunden Mittagspause
verrückt! Du bist total verrückt! Mensch, gestehe doch die Wahrheit …«
Mit diesem Vorsatz fuhr er nach Hause.
Aber als er seine Villa betrat, als ihn Luise mit einem Kuß empfing und sagte: »Liebling, du armer Kerl, bis jetzt auf den Baustellen … aber ich habe für dich etwas Herrliches gekocht: Goulasch mit Pfifferlingen …«, zerbrach alles in ihm. Er küßte sie wieder, verzog sich in seinen Sessel, verkroch sich hinter der Zeitung, während das Hausmädchen den Tisch deckte und Luise das Essen in der Küche anrichtete.
Ich kann es nicht, durchjagte es ihn. Alles hier würde auseinanderbrechen … meine Ehe, die Ordnung, in der wir leben, unsere Zukunft …
Er wußte, daß er in einen Teufelskreis geraten war, aus dem es ohne das Opfer seiner eigenen Person keine Rückkehr mehr gab.
Schwindelig von dieser Auswegslosigkeit lehnte er den Kopf weit zurück auf die Sessellehne. Luise kam mit dem köstlich duftenden Goulasch.
»Ist dir nicht gut, Heinrich?« fragte sie besorgt.
Zumbach sprang auf, die Zeitung flatterte über den Teppich. »Ich bin nur müde«, sagte er schnell. »Schrecklich müde. Den ganzen Tag draußen in der Luft …«
Um vier Uhr früh klingelte Großmann an der Zumbachschen Villa. Das elektrische Tor glitt auf, er fuhr seinen Wagen neben die Doppelgarage und schloß ihn ab. Zumbachs Wagen stand schon abfahrbereit auf dem breiten Weg. In der Eingangshalle brannten die wertvollen Kristallampen.
»Pünktlich wie immer, Benno!« rief Zumbach, als er Zumbach ins Haus ließ. »Luise läßt sich entschuldigen … sie pennt!« Er lachte laut, warf den Rucksack über die Schulter und nahm das Gewehr unter den Arm. »Du kennst sie ja … für sie sind Jäger brutale Menschen! Hast du einen Schnaps bei dir, Benno?«
»Einen tollen Klaren!«
»Dann los! Ich habe eine Überraschung für dich. Du darfst einen Biber fangen.«
Großmann sah seinen Freund erstaunt an. »Aber die stehen doch hier unter Naturschutz!«
»Bei mir nicht! In meinem Vergessenen Land bestimme ich, was gejagt wird. Ich will dir eine Freude machen, Benno.«
Großmann packte seine Sachen in Zumbachs Wagen um, dann entkorkte er die Flasche mit dem Korn und reichte sie seinem Freund.
»Gut Schuß mit Zielwasser!« sagte er.
Zumbach trank und zuckte zusammen, als Großmann noch rief: »Waidmanns Heil!«
»Waidmanns Dank!« antwortete Zumbach rauh.
»Steig ein, Benno …«
Im Berringer Forst lag noch die Nacht über den hohen Bäumen, als sie die Jagdhütte erreicht hatten, den Propangasofen anzündeten, einen Kessel mit Wasser aufsetzten und sich einen Tee kochten. Die Arbeitseinteilung war vorher abgestimmt worden: Zumbach sollte Tee kochen, Großmann sich um die Ausrüstung kümmern. Benno setzte jetzt die Jagdgewehre zusammen, lud sie, sicherte sie, stopfte Tabak und Pfeifen in die Jagdtaschen, einige Stückchen Fleischwurst und die Pulle mit Kornschnaps.
»Fertig?« fragte er danach.
»Fertig …«, sagte Zumbach dumpf.
»Ich danke dir.«
Zumbach, der am Ofen den Tee aufbrühte und gerade das Broteschmieren beendet hatte, fuhr wie gestochen herum.
»Wofür?«
»Daß du mich für ein paar Stunden auf andere Gedanken bringst. Bist ein netter Kerl, Heinrich. Ein wirklicher Freund …«
»Laß die dumme Quatscherei, Benno!«
»Nein. Es muß einmal gesagt werden. Wahre Freunde sind selten. Selbst mit der Lupe findest du sie kaum. Sie sind wie sechs Richtige im Lotto. Wer sie hat, ist glücklich.«
»Ich fange gleich an, rot zu werden!« Zumbach schob Teebecher und Brote auf den Tisch. »Halt bloß die Klappe, Mensch! Wir sind doch keine Weiber, die gleich gemeinsam losheulen!«
Ich kann es nicht, durchfuhr es ihn dabei. Ich kann ihn nicht töten. Ich bin kein Mörder … zu so etwas muß man irgendwie geboren sein. Ob aus Angst oder Verzweiflung … einen Menschen umbringen, den man gern hat, das muß eine Art von Irrsinn sein. Ein Durchgehen der Nerven. Ein Kurzschluß im Hirn.
Er sah zu, wie Großmann genußvoll die Brote aß, Korn in seinen Tee schüttete und das gleiche bei Zumbach tat, sie prosteten sich mit den Teebechern zu und waren so dicke Freunde, wie es sie auf der Welt nur selten gibt.
Zumbach sprang auf. Der Druck in ihm war unerträglich. »Gehen wir!« sagte er schwer atmend. »Es wird gleich hell …«
Der Himmel über dem Berringer Forst war streifig geworden. Rotgezackte Wolken trieben niedrig über den Baumkronen. Noch war es dunkel, aber im Osten stieß die Bleichheit des neuen Tages
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