Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
wusste. Es war durchaus denkbar, dass sie es wusste, obwohl er die Worte nie gesagt hatte. Sie war eine kluge Frau.
Er schloss die Augen und richtete seine Konzentration nach innen, verhandelte mit seinen zunehmend entkräfteten, schmerzenden Fingern. Haltet jetzt durch, erklärte er ihnen, dann könnt ihr sie später streicheln. Um sich von der schwindelerregenden Höhe abzulenken, ließ er seine Gedanken über all jene Zonen ihres Körpers schweifen, die er am liebsten herzte und koste. Von ihrem schweren dunklen Haar bis zu ihren hübsch kleinen Zehen. Doch seine Lust auf ihren Körper war nichts, verglichen mit der Bewunderung, die er ihrer Lebensklugheit, ihrer Tatkraft und ihrem großen Herzen zollte.
Seine Arme begannen zu zittern, denn ihm erlahmten zusehends die Kräfte. Um sich selber Mut zu spenden, konzentrierte er sich auf das gleichmäßige Schlagen seines Herzens. Das Herz, das in tiefer Liebe für Meredith entbrannte. Noch war er nicht tot. Nicht solange dieses Herz weiterschlug.
Bumm. Bumm. Eine beunruhigende Pause. Bumm.
Irgendetwas berührte seinen Arm, und er riss sich unwillkürlich los, wobei er beinahe den Halt verlor.
»Himmeldonnerwetter, Ashworth. Ich versuche doch nur, Ihnen zu helfen.«
Bellamy. Es war Bellamy, der ihm zu Hilfe eilte.
»Greifen Sie meine Hand«, sagte Bellamy, fragliche Extremität vor Rhys’ Gesicht schwenkend.
»Einen Teufel werde ich tun«, brachte Rhys leise schnaubend heraus. »Ich bin schwerer als Sie. Solange Sie mit den Füßen keinen festen Halt haben, werden Sie es niemals schaffen, mich hochzuziehen. Ich würde Sie mit hinunterreißen.«
»Ein stichhaltiges Argument.« Bellamy legte sich bäuchlings hin und spähte nach unten zu Rhys’ Füßen, die haltlos baumelten.
»Sehen Sie irgendwo einen erreichbaren Felsvorsprung unter mir, auf dem ich mich abstützen kann?«, forschte Rhys.
»Nein. Unter Ihnen ist einzig der sichere Tod.« Bellamy erhob sich und fing an, mit seiner Stiefelspitze den Untergrund abzutasten. »Zurück zum ersten Plan. Hier ist eine Spalte. Ich werde mich mit meinen Stiefeln dort einhaken, um mir Halt zu verschaffen. Sie packen meine Hand.«
»Es kann nicht gelingen.«
»Es muss gelingen. Haben Sie eine bessere Idee?«
Rhys hatte zugegebenermaßen keine. »Also gut. Auf drei.«
»Nach jener List in der Kutsche?« Bellamy schüttelte den Kopf. »Ich traue Ihnen nicht beim Zählen. Reichen Sie mir schlichtweg Ihre Hand.«
Seine rechte Hand hatte den festeren Zugriff, folglich verlagerte Rhys sein Gewicht, so weit er es vermochte, auf selbige Seite. Dann reckte er eilig seine Linke hoch.
In dem Moment, als er das tat, geschahen zwei Dinge. Bellamys Griff schloss sich um sein Handgelenk. Und Rhys’ rechte Hand begann nachzugeben. Geröllsplitter krümelten unter seinen Fingernägeln weg, während seine gekrümmten Finger tiefer und tiefer rutschten. Beide Männer fluchten wie aus einem Munde. Wenn Rhys’ Hand den Halt verlor, war er untragbarer Ballast am Ende von Bellamys Armen. Bellamy wäre nicht imstande, ihn lange festzuhalten, geschweige denn, ihn hochzuziehen.
Rhys tastete krampfhaft nach einem neuen Halt. Nichts. Seine Finger glitten lediglich näher und näher an den Rand der Klippe.
Rhys schrie vor Schmerz auf, als Bellamy ihm auf die rechte Hand trat und sie mit seinem Stiefel am Boden festhielt. Tränen kitzelten in seinen Augenwinkeln. »Um Gottes willen.«
»Na los, kommen Sie«, stieß Bellamy zwischen zusammengebissenen Kiefern hervor, während er an Rhys’ linkem Arm zerrte. »Hoch mit Ihnen.«
Die Hand unter Bellamys Stiefel schmerzte höllisch. Aber wenigstens rutschte sie nicht weiter ab. Indem er seine Arm- und Brustmuskulatur anspannte, war Rhys in der Lage, sich weit genug hochzuziehen und ein Bein über den Rand der Klippe zu schwingen.
Einige Sekunden später kam er ächzend und keuchend auf festem Boden zu liegen. Während er um Atem rang, blinzelte er in den strahlend blauen Himmel. Lebend.
»Hölle und Verdammnis.« Bellamy, der sich zu ihm gesellte, sank in das von Felsbrocken durchsetzte Gras. »Ich will Ihnen mal was sagen, Ashworth. In Ihrer Gesellschaft wird es einem nie langweilig.«
Der kleine Finger seiner rechten Hand stand in einem seltsamen Winkel von den anderen ab. Rhys blinzelte darauf, er war von einem altvertrauten Schmerz ganz benommen. »Ich schätze, Sie haben mir den Finger gebrochen.«
»Ich schätze, ich habe Ihnen das Leben gerettet. Und das, nachdem Sie mir einen
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