Zwei sündige Herzen: Roman (German Edition)
darauf.
Kaum dass eine Minute verstrichen war, legten sich starke Hände auf ihre Schultern und massierten sie sanft. »Aber, aber, Merry. Es wird alles gut.«
»Oh Vater.« Sie wischte sich hastig mit ihren kleinen Fäusten die Augen, unterdes umrundete Mr. Lane den Tisch und sank auf den Stuhl gegenüber. Es erfüllte sie mit Widerwillen, es ihm zu erzählen, aber das Unvermeidliche aufzuschieben, war keine Lösung. »Er ist fort. Rhys hat uns verlassen.«
»Ich weiß.«
»Ich bin untröstlich. Ich weiß, du musst enttäuscht sein.«
»Ich? Gräm dich nicht um mich, mein Kind.« Er umschloss ihre Hände mit seinem gebrechlichen, arthritischen Griff. »Rhys wird zurückkommen. Du wirst sehen.«
»Glaubst du das wirklich?«
»Ich bin nicht der Einzige. Sie haben bereits wieder Wetten abgeschlossen, draußen im Hof. Skinner nimmt die Wetteinsätze entgegen, wann Lord Ashworth zurückkehren wird.«
»Diese Horde von Dummköpfen«, murmelte sie kopfschüttelnd. »Unsäglich undankbar. Nachdem dieses Dorf ihn so behandelt hat, weswegen sollte er da jemals zurückkommen?«
»Deinetwegen, Merry. Jeder weiß, dass er deinetwegen zurückkehren wird.« Seine Augen erwärmten sich, und um die Ränder gruben sich winzige Fältchen. »Ich habe mit meinem Einsatz auf morgen gewettet.«
26
O h Gott«, rief Cora. »Was ist geschehen?«
Rhys hielt sich krampfhaft fest, als die Kutsche zurückrollte. Anfangs langsam. Dann nahm sie Fahrt auf und polterte ungehindert den Abhang hinunter, den sie eben hinaufgerollt waren. »Wir haben uns von dem Gespann gelöst. Das muss der Ruck vorhin bewirkt haben.«
»Gütiger Himmel«, seufzte sie. »Wir werden alle zu Tode kommen.«
»Gewiss, irgendwann.« Rhys erhob sich mehr schlecht als recht und stützte sich mit den Händen an dem Kutschenplafond ab. Unter Aufbietung seiner sämtlichen Kräfte trat er vor den Verschlag, worauf der Riegel zerbrach. »Aber nicht heute.«
»Was tun Sie da?«, rief Cora aus.
Rhys bot ihr seine Hand und eine knappe Erläuterung. »Springen Sie.«
Ihr blieb der Mund offen stehen, als sie auf die inzwischen aufschwingende Tür starrte, wo die Landschaft zunehmend geschwinder an ihnen vorüberratterte. »Sind Sie des Wahnsinns?«
Rhys warf einen kurzen Blick aus dem Rückfenster des Wagens. Wie er befürchtet hatte, hielt die Kutsche geradewegs auf die Küste zu – auf jene atemberaubenden Klippen.
»Entweder jetzt springen oder nachher zerschellen«, beharrte er. Als sie sich immer noch nicht rührte, nickte er zu Bellamy. »Bringen Sie sie hier raus!«
»Los jetzt.« Bellamy überwand seine Verblüffung und schritt zur Tat. Er packte Coras Handgelenk und zerrte sie zu der geöffneten Tür. Dann trat er hinter das Mädchen, schlang einen Arm um dessen Taille und stützte sich mit der anderen Hand am Kutschendach ab.
Rhys wäre selber mit Cora gesprungen, aber er passte allein kaum durch den Rahmen, geschweige denn mit einem Mädchen in seinen Armen. Er hoffte, dass Bellamy nirgends anstieß. »Geben Sie auf Ihre Füße Acht«, riet er seinem Begleiter. »Sie müssen von den Rädern wegbleiben.«
Bellamy nickte grimmig. »Auf drei, Cora. Eins … Zwei …«
Cora wand sich in seiner Umklammerung. »Können wir nicht auf fünf springen?«
Die Kutsche prallte gegen ein Hindernis, und sie schrie auf, als die Karosserie auf zwei Rädern weiterholperte.
In dem Augenblick, als die Kutsche wieder auf alle viere krachte, traf Rhys seine Entscheidung. Ohne zu zögern, stemmte er seinen Stiefel in Bellamys Kehrseite, spannte seine Schenkelmuskulatur an und stieß mit aller Kraft zu. » Drei.«
Es war auf seltsame Weise befriedigend. Er hatte sich schon immer gewünscht, Julian Bellamy einen gehörigen Tritt in den Allerwertesten zu verpassen.
Die beiden verschwanden aus der Kutsche, und als das Gefährt weder auf eine Seite sprang noch in Gänze umkippte, ging Rhys davon aus, dass sie die Räder nicht touchiert hatten. Zeit für ihn, ihrem Beispiel zu folgen.
Gerade als er sich in den offenen Verschlag zwängte, rammte die dahinbrausende Kutsche einen Felsen. Vielleicht streifte sie auch die steinerne Befestigung am Rand der Straße. Wie dem auch immer sein mochte, das Chassis wurde für einen Übelkeit erregenden Moment in die Luft katapultiert. Dann landete es mit einem splitternden Krachen von Holz auf den Steinen und schwankte zu einer Seite.
Rhys wurde von der Tür weg und gegen die andere Kutschenwand geschleudert. Sein Kopf traf mit einem
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