Zwei Toechter auf Pump
Flasche Bier am Abend genügt. Und er soll nicht die Füße auf den Schreibtisch legen.«
»Er hört ja nicht auf mich«, sagt die tiefe Stimme der Mama düster.
»Außerdem soll er beim Essen nicht lesen und die Hunde nicht mit ins Bett nehmen, und wenn Frau Schleußner zum Aufräumen kommt, soll er ihr keine unanständigen Witze erzählen. Sie lacht zwar darüber, aber sie trägt uns im ganzen Ort herum. Außerdem bezahle ich sie nicht fürs Lachen, sondern fürs Aufräumen.«
Ich stehe auf und gehe in die Küche: »Hier ist dein Pantoffel.«
»Danke. Da, nimm das Tablett, bitte. Wo war er denn?«
»Cocki hat ihn sich ‘raufgetragen und lag mit dem Kopf drauf.«
Das Wasser schießt ihr in die Augen. Sie eilt — immer noch hinkend, weil Pantoffel noch in Hand — ins Zimmer, kniet sich neben Cocki und zieht seinen Kopf an ihre Brust: »Ach, mein Dickerchen!«
Weffi kommt von der Tür und bohrt ihr den Kopf unter die Achsel. Sie umklammert ihn mit dem ändern Arm: »Du auch, mein Liebling!«
Die Mama, in der Küchentür stehend, gräbt das Taschentuch aus und heult wie ein Schloßhund. Ich fühle, verdammt noch mal, einen Kloß in meiner Kehle, räuspere mich und sage: »Neun Uhr fünfundzwanzig!«
Frauchen erhebt sich und hinkt zum Tisch: »Ich bin ja fix und fertig. Warum sitzt du nicht längst? Mami, setz dich auch!«
Die Mama steckt das Tuch weg und setzt sich.
Als wir gerade bei der zweiten Tasse Kaffee sind, ertönt unten eine Fanfare. Eine sehr prominente und auffordernde Fanfare. Der Mama bleibt die Hand mit dem dritten Brötchen darin in der Luft hängen: »Um Gottes willen, da ist er schon!«
»Was heißt um Gottes willen«, sagt Frauchen, »der Mann kann doch warten. Er ist schließlich kein Zug, der abfahren muß.« Sie hat Weffi auf dem Schoß, Cocki neben sich und füttert beide abwechselnd.
Ich stehe hastig auf: »Gehe mal ‘runter...«
»Ja, und sage ihm, ich komme gleich.«
Ich renne die Treppe hinunter. Die Hunde hinter mir. Es gelingt mir gerade noch, Cocki, der die Widersetzlichkeit eines Elefanten entwickelt, mit dem Fuß zurückzuschieben und rasch die Haustür vor seiner großen Nase zu schließen.
Und dann, als ich mich draußen umwende, bleibe ich mit offenem Mund stehen. Der Cadillac! Sooo lang und sooo breit und ganz niedrig! Es ist ein dunkelrotes Kabriolett mit einer Zürcher Nummer und einem livrierten Chauffeur am Steuer. Als er mich sieht, steigt er aus und nimmt die Mütze ab. Er hat ein markantes, braungebranntes Gesicht mit silbernen Schläfen. Wir schütteln uns die Hände und sind uns vom ersten Augenblick an sympathisch.
Ich frage ihn, ob er gefrühstückt habe und wenn nicht, ob er nicht wolle. Er wisse ja, die Frauen... Er sagt, er wolle nicht, und im übrigen sei auch er verheiratet. Allerdings sei die amerikanische Dame etwas ungeduldig... Das, erwidere ich, sei sie schon seit fünfundsiebzig Jahren, und man werde es kaum ändern können.
Aus dem Nebenhaus kommt Teddy und gesellt sich zu uns. Ich stelle die beiden Herren einander vor, dann biete ich dem Chauffeur eine Zigarre an und ermuntere ihn, die Motorhaube zu öffnen.
In diesem Augenblick jedoch geht die Haustür auf, und Frauchen erscheint, den Mantel zur Hälfte angezogen. Ein Koffergebirge türmt sich im Hintergrund. Das Ganze ein Bild rührender weiblicher Hilflosigkeit. Bevor ich mich noch in Gang setzen kann, sind schon Teddy und der Chauffeur auf sie zugesteuert und keuchen mit Koffern in jeder Hand zum Wagen zurück. Auch Addi ist von irgendwoher aufgetaucht und hilft Frauchen in den Mantel. Mami steht im Hintergrund und hat schon wieder das Taschentuch vor dem Gesicht. Mir bleibt nichts, als einige symbolische Bewegungen in Richtung Mantel und Gepäck zu vollführen. So gebe ich mich denn männlich rauh, küsse sie energisch, klopfe ihr die Schulter und sage: »Halt dich senkrecht, old girl!«
Frauchens Blick streift mich mit einem ätherisch-zarten Augenaufschlag, der offenbar schon für den Schilehrer in St. Moritz geübt wird. Dann küßt sie sich mit Addi, und dann wird sie von Teddy übernommen, der aus dem Abschied eine gewaltige Veranstaltung macht. Er hebt sie hoch, klopft sie auf den Rücken, erst oben, dann weiter unten und küßt sie mit der Inbrunst eines Matrosen nach zwei Jahren auf hoher See.
»Hau ihm doch eine ‘runter, dem frechen Kerl!« sagt Addi. Teddy setzt die süße Last auf die Erde und fragt, wie sie das gefunden habe. Frauchen klopft ihm mütterlich auf die
Weitere Kostenlose Bücher