Zwei Toechter auf Pump
Fahrt kommt, wird sie ein Dutzend Verehrer an jedem Finger haben. Hübsches Ding — gebe ich zu. Aber in der Veranlagung — Papa plus Mama. Das heißt, sie weiß genau, was sie will und wo ihr Vorteil liegt. Zehn Jahre warten...< Er schüttelte den Kopf: >Schlag’s dir aus dem Kopf!<
Ich starrte ihn entgeistert an: >Aber Opapa — das ist doch gar nicht möglich — man kann doch nicht jemanden lieben — wenn man nicht die feste Absicht hat, das ganze Leben miteinander zu verbringen! Man kann doch mit so was nicht spielen!< Und als er nicht antwortete: >Könntest du denn das? Mit jemandem eine Freundschaft anfangen — und dabei wissen, eines Tages ist es aus?<
Seine Augen wichen von mir und gingen ins Leere. >Man sollte es nicht können, Hänschen<, sagte er dann langsam und sehr ernst. >Man sollte es nicht. Aber man tut es. Die Welt, mein Junge, ist hart und sehr in Unordnung und gar nicht so, wie sie sein sollte. Und besonders die Dinge zwischen Mann und Frau — die sind vor allem in Unordnung.< Er stand auf, steckte die Hände in die Hosentaschen und ging qualmend auf und ab. Dann legte er mit einer behutsamen Bewegung die Zigarre in den Aschbecher, wandte sich mir zu: >Versprich mir, daß du über den Rat, den ich dir jetzt gebe, wenigstens mal nachdenkst!<
>Ja.<
>Also paß auf. Jeder von uns muß irgendwie mit dieser Welt fertig werden — mit der Welt, so wie sie ist. Es gibt daneben ‘ne Idealwelt, in der lebst du heute. Hoffentlich noch recht lange. Aber ich fürchte, allzu lange wird’s nicht mehr dauern. Dann kommt der Augenblick, in dem diese Idealwelt mit der wirklichen zusammenstößt, und das ist einer der gefährlichsten Augenblicke in unserem ganzen Leben. Auch für mich, mein Lieber, kam mal dieser Augenblick, und beinahe hätte ich mir damals das Leben genommen — ganz ernsthaft! Und glaube nicht, daß ich heute darüber lache!
Aber dann, so ganz allmählich, habe ich mich zurechtgefunden und einen Standpunkt der Welt gegenüber eingenommen. Jeder anständige und ernsthafte Mensch muß das, damit er überhaupt weiterleben kann. Ich hab’ mir meine Idealwelt erhalten — und diese Welt habe ich immer noch...<, er deutete gegen seine Brust, >hier ganz innen. Aber nur so für den Hausgebrauch, verstehst du? Für das normale Leben, da habe ich folgendes Prinzip: Ich erwarte nichts Besonderes von den Menschen. Jedenfalls nichts besonders Gutes. Wenn ich’s mal treffe — und ich habe es ab und zu getroffen —, ist’s wie ein Geschenk, das uns der liebe Gott macht. Aber von vornherein nehme ich an, daß jeder wie mit Scheuklappen seinem Vorteil nachrennt und sich danach benimmt. Wenn du einen einzigen guten Freund im Leben findest und die richtige Frau, dann ist das, als ob du zweimal hintereinander das Große Los gewinnst, das mußt du dir immer sagen!<
>Es könnte doch aber sein, Opapa, daß Erika die Richtige ist! Gibt’s so was nicht, daß gleich die erste die Richtige ist?<
>Hm — nach dem Gesetz der Wahrscheinlichkeit ist es jedenfalls kaum zu erwarten. Weißt du was — wann fangen die Ferien an?<
>In vierzehn Tagen.<
>Hm — vierzehn Tage. Also bis dahin — würde ich sagen — versuch mal, na — wie soll ich sagen — die Dinge an dich herankommen zu lassen.<
>Ja, soll ich denn gar nicht mehr mit ihr reden, wenn sie auf dem Balkon ist?<
>Würde ich nicht raten. So, wie ich die Mutter kenne, wird sie sowieso wie eine wütende Henne ihr Küken bewachen.<
>Ich will’s versuchen. Aber garantieren kann ich’s nicht<, sagte ich. Dann vollzog ich einen ziemlich eiligen Rückzug auf die Toilette, und dort heulte ich erst mal eine Weile. Ich kam zu dem Ergebnis, daß ich der unglücklichste Mensch auf der ganzen Welt sei und daß es bestimmt auch vor mir keinen anderen Menschen gegeben hatte, der dermaßen unglücklich war. Und darüber wurde ich noch unglücklicher und weinte noch mehr, und das tat mir sehr wohl.
Meine Standhaftigkeit brauchte ich gar nicht auszuprobieren, denn ich konnte sie sowieso nicht mehr sprechen. Keine Schularbeiten mehr auf dem Balkon, und wenn sie ausging, war immer die Mutter dabei. Kaum, daß sie einen ganz verstohlenen Blick zu unseren Fenstern hinaufwerfen konnte, wo ich hinter den Gardinen stand.
Dann kamen die großen Ferien. Als ich von der Reise zurückkam, flog mein erster Blick zu ihren Fenstern. Sie sahen merkwürdig leer aus. Keine Gardinen! Vielleicht haben sie große Wäsche, dachte ich, aber ich hatte ein unheimliches Gefühl im
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