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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Haken, wo er hingehört, da wünsche ich ihn von jetzt an zu sehen!< sagte sie und fegte hinaus.
    Ich konnte Kurt gar nicht ansehen und sagte nach einer Weile bloß: >Na, dann wollen wir mal gehen.<
    Er begann wieder zu husten: >Geh du nur allein. Ich glaube nicht, daß ich heute in Stimmung bin zum Lesen.««
    Ich schweige und grübele, und ein leiser Schmerz nistet in meiner Brust. »Ach, der arme Kerl«, sagt Susanne. »Was ist aus ihm geworden?«
    Kurt — da war wieder sein rundes Gesicht mit den roten Flecken auf den Backenknochen.
    »Ich glaubte«, höre ich mich sagen, »daß er diese Flecke hatte, weil ihm mal im Winter das Gesicht erfroren war. Bis das Abitur kam. An sich ging es überraschend gut, so ähnlich wie bei einer Zahnoperation, die man sich so grauenvoll vorstellt, daß man von der Wirklichkeit angenehm überrascht wird.
    Bis auf die Mathematik. Sie wurde von einem Professor Wackel zelebriert, einem gewaltigen, auf O-Beinen watschelnden Etwas. Drei Aufgaben wurden uns gestellt, und mit keiner wußte ich etwas anzufangen. Die einzige Chance blieb, eine Hilfe zugesteckt zu bekommen. Aber man hatte uns weit auseinandergesetzt, der nächste war Max, der selber hart an den Dingern kaute, obwohl ihm Mathematik sonst doch besser lag. Wackel obendrein watschelte unentwegt zwischen den Bänken auf und ab. Manchmal lehnte er sich auch mit einem bösen Lächeln zurück und sah auf diese Weise halb unter die Tische, ob wir nicht vielleicht doch von einem Zettel abschrieben.
    >Nur ruhig, meine Herren«, sagte er, >nur ruhig!< So, als ob der Scharfrichter sagte: Bitte, den Kopf etwas mehr nach links und schön das Hälschen stillhalten! — Zweimal schon hatte er mir mit Genuß über die Schulter gesehen und gesagt: >Na, Bentz? Noch nicht viel, was? Nachdenken, nur nachdenken, sich immer schön konzentrieren!< Dann war er wieder an mir vorbei, und ich sah nur seinen breiten Rücken mit dem Gummikragen und dem unordentlichen Zottelhaar darüber, rechts und links von dem verhaßten, breitgequetschten Hinterkopf die Bartspitzen.
    Max blickte zu mir herüber. Ich rang die Hände. Er zuckte die Achseln, sah dann mit wütendem Gesicht auf Dombrowski. Das war unser Primus, ein schüchterner Junge mit großen Antilopenaugen. Kein Stänker, aber ziemlich feige. Nun, man hat ja auch mehr zu verlieren als Primus! Die ganze Klasse begann sich zu räuspern, alles sah zu ihm hin. Aber auch Wackel sah auf Dombrowski, der sich unter all diesen Blicken wand wie auf einem Rost. Etwas hatten wir uns alle durch Zeichensprache klargemacht: Die dritte Aufgabe konnte keiner. Die Lösung der ersten hatte ich inzwischen von Max mit einem kleinen Ball zugeworfen bekommen, aber es war nur die Lösung, die Rechnung selbst fehlte mir! Da machte Kurt, der zwei Bänke vor mir saß, etwas Großartiges: Während Wackel gerade wieder auf Drombrowski starrte und uns für einen Moment den Rücken wandte, reichte er mir mit einer blitzschnellen Bewegung sein Heft nach hinten. Ich reagierte ebenso rasch und gab ihm meines. Wackel hatte irgendwas gehört und fuhr herum, aber schon saßen wir beide wieder über einem Heft. Ich schrieb die ganze Sache ab und dann, während uns die Blicke der Klasse mit angehaltenem Atem verfolgten, praktizierten wir alles noch einmal. Jetzt hatte ich also Aufgabe eins, aber das genügte noch nicht.
    >Scheißkerl!< zischte einer zu Dombrowski hinüber. Der wurde bleich, biß die Zähne in die Lippen, richtete sich dann auf und hob den Arm: >Ich möchte bitte austreten.<
    Alles atmete auf. Wackel war zuckersüß: >Bitte sehr, lieber Dombrowski, selbstverständlich! Übrigens, erschrecken Sie nicht, wenn Sie unten Herrn Assessor Schmitt sehen, er paßt auf, daß nichts in den Kabinen liegenbleibt... Vor ein paar Jahren war mal so eine häßliche Geschichte, und wir wollen die Herren gar nicht erst in Versuchung führen.<
    Dombrowski errötete wie ein Mädchen und ging.
    Wir verfielen wieder in Trübsinn und glühenden Haß gegen dieses watschelnde Walroß. Nach fünf Minuten kam Dombrowski zurück. Er sah jetzt blaß aus wie Marmor, um seinen Mund aber war ein ungewöhnlich entschlossener Zug. An der vordersten Bank, auf der Kurt saß, stolperte er, fiel krachend hin, sein Kopf schlug gegen die Bank. Kurt sprang sofort auf, half ihm hoch, auch Wackel war gleich da: >Haben Sie sich was getan, Dombrowski?<
    Der stammelte: >Nein — nicht viel — entschuldigen Sie bitte, diese Eisenschiene...< Er hinkte auf seinen Platz.

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