Zwei Toechter auf Pump
Magen. Ich stürzte die Treppen hinauf, meine erste Frage an Opapa: >Was ist mit Erika?<
Er paffte heftig an seiner Pfeife, einen entsetzlich stinkenden Ersatztabak, wie er damals im vorletzten Kriegsjahr ausgeteilt wurde. Eben jetzt habe ich wieder den Geruch in der Nase. >Tja, Hänschen<, sagte er, >sie ist weg.<
>Was heißt weg?< stammelte ich.
>Die Eltern haben sich ‘ne Villa gekauft, sind nach Westend gezogen.<
Ich sagte kein Wort. Aber ich war wie versteinert. Es dauerte Wochen, bis ich wieder mal lachen konnte.«
Ich erwache und sehe auf. Da sitzen die beiden, Geschöpfe aus einer ganz anderen Zeit, und doch wie ähnlich den Mädchen meiner Jugend. Und ebenso wie wir damals kümmern sich die beiden hier nicht um das gewaltige Geschehen der Welt, dessen Drohung heute noch viel furchtbarer ist als das Toben des Krieges damals. Oder fühlen sie es doch? Unbewußt vielleicht —. Vielleicht ist es das, was sie so herb und wild macht?
»Und du hast nie wieder was von ihr gehört?« fragt Margot.
»Nach ungefähr vier Jahren, als ich schon junger Journalist war, ging ich mit einer Freundin in Westend spazieren und kam zufällig an Erikas Haus vorbei. Ich wußte gar nicht, daß sie dort wohnte, aber plötzlich tat sich die Gartenpforte auf, und sie kam heraus, mit einem Dienstmädchen. Sie trugen einen Wäschekorb zwischen sich, den sie über die Straße in eine Wäscherei brachten. Sie erkannte mich sofort, wurde blutrot, riß das Kinn hoch. Ich war so verdattert, daß ich nicht mal grüßte.«
Susanne schlägt die Hände zusammen: »Das gönne ich ihr, der dummen Gans!«
Margot beobachtet mich nachdenklich: »Ich an ihrer Stelle hätte es mir nicht verbieten lassen«, sagt sie.
12
Susanne rutscht nach vorn und zupft mich am Ärmel: »Jetzt will ich aber endlich wissen, was mit dem Kurt und der Frau war!«
Die Mama, die bei den Erzählungen von Steffi und Erika sichtlich gerührt war, wird unruhig. Aber ich besänftige sie mit einer Handbewegung: »Ja, also mit dem Kurt war das so: Ich fand erst zwei Jahre später heraus, was es mit der Frau und ihm auf sich hatte.«
Ich verstumme, denn die Erinnerung kommt mit fast lähmender Kraft über mich. Mit Gewalt muß ich mich zwingen, sie für meine beiden hier in Worte zu fassen.
»Wir waren ein Dreierklub, der Kurt, mein Freund Max Bernstein und ich. Max komponierte, ich dichtete Lyrik, und Kurt schrieb an einem unendlich langen und wehmütigen Roman, den er >Das Leid< nannte. Der Hauptheld war ein Mann, der langsam an Lungentuberkulose dahinsiechte, dabei sehr zahlreiche und meist sehr wehmütige Liebschaften hatte und sein Schicksal in sehr langen und noch wehmütigeren Monologen sezierte.
Wir waren fast Tag für Tag zusammen, am liebsten bei Mäxchen Bernsteins Eltern. Sein Vater war Generalkonsul und hatte eine große Wohnung im Westen. Dort hockten wir in Mäxchens Zimmer. Derjenige, der vorlas — und das war meist Kurt —, saß mit dem Rücken zum Flügel, weil er dort das Licht von der Klavierlampe hatte. Max lag auf dem alten Kanapee, und ich hatte meinen Stammplatz auf dem Boden neben Max.
Zu einem dieser Abende nun holte ich Kurt ab. Während er sich noch seine gute Jacke anzog, wurde draußen ein Schlüssel umgedreht, und die Mutter kam, eine ganz kleine Frau mit zotteligen grauen Locken und merkwürdig großen Schuhen, die mich immer an eine Sorte von Hühnern erinnerten, die so eine Perücke über dem Schnabel und dicke Federfächer über den Krallen haben. — Normalerweise standen Kurt und seine Mutter sehr nett miteinander. Der Vater war lange tot, und sie sparte sich sein Schulgeld von ihrer kleinen Pension ab. Diesmal aber war sie fuchsteufelswild, und ich war dem Lachen nahe, als ich sah, wie dieses kleine Wesen auf den großen, schweren Kerl losfuhr. Er nahm schweigend einen Stuhl, stellte ihn vor sie hin und sagte: >Ich weiß zwar nicht, worum sich’s handelt, aber wenn du mir eine ‘runterhauen willst — bitte schön. Soll ich dich ‘raufheben?<
Da mußte sie wieder lachen und wandte sich an mich: >Ideen habt ihr manchmal, ihr Bengels! Heute morgen kommen die Kohlen, und was finde ich nicht? Den Kohlenkellerschlüssel. Ich suche die ganze Wohnung ab — nichts. Schließlich fiel mir ein, daß Kurt ihn ein paarmal hatte. Und tatsächlich, in der Hosentasche von seinem anderen Anzug — da war er!< Sie warf den Schlüssel auf den Tisch. Es war der Hausschlüssel der verheirateten Frau!
>Das nächstemal hängst du ihn an den
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