Zwei Toechter auf Pump
das Kinn in die Hand gestützt: »Wie alt war sie denn?«
»Vierzehn.«
Susanne reißt die Augen auf: »Na — das ist ja...«
In mir aber beginnt es wieder zu summen. Ein Balkon ist da, unser Balkon, draußen die Nachmittagssonne eines frühen Sommertages. Ich sitze und mache Schularbeiten. Und auf dem Nachbarbalkon...
»Es passierte unmittelbar nach der Geschichte mit Steffi. Etwas von diesem ersten Poussageversuch war nämlich trotz aller Soldaten in mir haftengeblieben, außerdem war es inzwischen Frühsommer geworden, und wenn ich abends mit gefurchter Stirn und nach lyrischen Inspirationen suchend über die Plätze strich, saßen überall die verliebten Pärchen auf den Bänken. Plötzlich beneidete ich sie und wurde ganz schwermütig.
Die Sache selbst fing aber nicht abends an, sondern an einem Nachmittag, an einem sehr warmen, schönen Tag.
Ich saß also auf dem Balkon, machte Schularbeiten und ärgerte mich, daß ich bei diesem schönen Wetter Mathe ochsen mußte. Was meiner Ansicht nach sowieso keinen Zweck hatte, weil ich’s doch nicht begriff. Und wie ich so an meinem Federhalter kaute, räusperte es sich auf dem Nebenbalkon. Es war gar kein richtiges Räuspern, sondern so ein künstliches, das merkte ich gleich. Ich stand auf und sah durch unsere Petunien hinüber. Der Nebenbalkon war unmittelbar neben dem unseren, nur durch die Regenrinne getrennt, und da saß Erika und malte eifrig an einer Schularbeit. Ich kannte sie natürlich, hatte sie aber bisher wenig beachtet, weil sie sich fast nie an unseren Spielen auf der Straße beteiligte. Ihr Vater war irgendwo Direktor, und offenbar hielten die Eltern sie für zu gut, um mit uns zu spielen.
Als ich sie eine Weile angesehen hatte, schaute sie auf, und plötzlich bemerkte ich, wie hübsch sie war. Dieses herzförmige Gesicht, haselnußbraune Augen, der Mund wie eine Kirsche, diese schönen Farben und die kleinen Hände und der Goldschimmer in ihrem Haar, das sie jetzt nach hinten strich — sie lächelte mich an und wurde noch hübscher: >Auch Schularbeiten?«
>Hm<, grunzte ich nur und starrte sie an.
>Geht’s nicht richtig?<
>Nee.<
>Was ist es denn?<
>Mathe. Kannst du Mathe?<
>Ja. Aber ich kann dir leider nicht helfen.<
>Natürlich nicht<, sagte ich mit erwachtem Stolz. Was die sich einbildete! Aber verdammt hübsch war sie trotzdem. Sie lehnte sich zurück und reckte gähnend die Arme: >Ach, ich hab’ auch keine Lust mehr!< Sie sah mich kokett an: >Weißt du was? Schreib mir doch ‘n Liebesbrief!<
>Einen... na schön. Aber dann mußt du mir auch einen schreiben.<
Worauf wir uns beide ans Werk machten. Erst wußte ich überhaupt nicht, was ich schreiben sollte. Aber dann überkam mich der Geist, und es wurde ein umfangreiches Gedicht. Die Verse flossen mir nur so zu, es reimte sich herrlich, und ich hörte erst auf, als sie mich schon dreimal von drüben gefragt hatte, ob ich denn immer noch nicht fertig sei.
>Du mußt eine richtige Adresse draufschreiben<, sagte sie, als ich wieder ans Geländer kam. >Und dann stecken wir’s hier hinter die Regenrinne, das ist unser Briefkasten!<
Ich tat wie geheißen, und beide steckten wir nacheinander mit ernsten Gesichtern die Briefe hinter die Regenrinne. Dann gingen wir für einen Augenblick an unsere Tische, und dann standen wir wieder auf und holten die Post ab.«
»Was hatte sie denn geschrieben?« fragt Susanne, worauf sie von Margot einen Knuff bekommt, weil sie mich schon wieder unterbrochen hat.
»Das weiß ich heute nicht mehr genau. Irgendwas — ich sei ein netter Junge, und sie hätte mich schon eine ganze Weile beobachtet. Jedenfalls, gerade als sie beim Lesen war, ging hinter ihr die Balkontür auf, und ihre Mutter erschien. Erika konnte eben noch mein Gedicht in ihrer Bluse verschwinden lassen.
Die nächsten Tage war ich wie betrunken. Endlich war es mir gelungen, verliebt zu sein! Ich gefiel mir ganz außerordentlich in diesem Zustand, und meine Phantasie schlug Wellen. Selbstverständlich würde ich Erika heiraten. Das stand fest.«
Susanne kringelt sich vor Lachen: »Du bist aber komisch, Colonel! Warum denn, um Himmels willen?«
»Tja, warum — ich glaube, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, daß so etwas mal zu Ende sein könnte. Eine Liebelei anfangen mit dem vollen Bewußtsein, daß es nur für eine Zeit ist — unmöglich!«
Susanne macht runde Augen: »Ach!«
Margot mustert mich sehr interessiert. Ich habe das Gefühl, irgend etwas verpatzt zu haben,
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