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Zwei Toechter auf Pump

Zwei Toechter auf Pump

Titel: Zwei Toechter auf Pump Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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Stadien miterlebt: Lokomotivführer, Testpilot, Kriminalkommissar, Ozeandampferkapitän. Sie versteht es, ihre ganze äußere und innere Erscheinung chamäleonhaft dem jeweiligen Beruf anzupassen und sich in kürzester Zeit die erstaunlichsten Kenntnisse auf dem jeweiligen Berufssektor zu erwerben. Im Rahmen ihrer Laufbahn als Kapitän war sie zum Beispiel dem hiesigen Segelklub beigetreten und hatte eine Matrosenuniform getragen, die ihre jungen, weiblichen Formen überraschend gut herausarbeitete. Sie jedoch war sich dieser günstigen Nebenwirkung offenbar gänzlich unbewußt geblieben und hatte nur alle, die ihr in den Weg liefen und angesichts ihrer Kurven nach Haltung rangen, über die Begriffe Luv und Lee und Backbord und Steuerbord examiniert. Ich hatte ihr Foresters See-Romane mit dem unvergeßlichen Kapitän Hornblower zum Geburtstag geschenkt und dafür einen Kuß von engelhafter Neutralität erhalten.
    Jetzt aber ist der nette Matrose mit der weiten Hose verschwunden, und ein blasses, breites Gesicht mit Pickeln und randloser Brille blickt mich streng an. Ehe ich mich aber sozusagen zu Ende gewundert habe, wird meine Aufmerksamkeit durch Luzie abgelenkt. Bisher habe ich sie kaum gekannt. Sie ist rothaarig, ein tiefes Kupferrot, mit großen, graugrünen Augen und einem vollen Mund. Der Teint zart, ausgesprochen irischer Typ. Mit einer geschmeidigen Bewegung gleitet sie an Buddy heran und zupft besitzerisch seinen Schal zurecht. Er wird rot und dreht sie an den Schultern herum: »Du kennst den Colonel?«
    Auch Luzie errötet einen Augenblick, als sie meinen Augen begegnet. Dann streckt sie mir die Hand hin: »Ich kenne Sie natürlich, aber Sie mich wahrscheinlich nicht.«
    »Ich... hm...«
    »Jedenfalls tun Sie immer sehr erstaunt, wenn ich Sie grüße.«
    »Das dürfen Sie mir nicht übelnehmen, ich... hm...«
    »Nein, das darfst du ihm wirklich nicht übelnehmen«, sagt Buddy eifrig, »er denkt meist an seine Bücher, der Colonel, und...«
    Ihre Augen sind voll eines gleißenden Lichts, wie die Ränder der Eisscholle zu unseren Füßen: »Aber wer sagt denn, daß ich es ihm übelnehme?« >Und wenn ich es wollte, würdest du genauso, nach meiner Pfeife tanzen wie die anderen!< fügen diese Augen hinzu.
    Das bringt mich wieder zur Besinnung, reizt meinen Widerstand. Dies letzte um so mehr, als ich fühle, daß ihr Blick eine schwache Stelle in mir gefunden hat. Meine Phantasie beginnt schon zu rotieren. Ich wette, daß ich — wenn ich Luzie nur den kleinen Finger gäbe... Vielleicht wäre es sogar in Margots Interesse gar keine schlechte Idee... Ja, was sind denn das plötzlich für Raupen in meinem Gehirn? Bin ich denn schon so verkalkt, daß ich auf kleine Mädchen reagiere? Jetzt aber Schluß!
    »Basta!«
    »Wieso >basta    »Hm?« Ach so, es ist Sophie, die mich gefragt hat. Neugierig sieht sie mich an: »Was ist denn mit Ihnen, Colonel?«
    »Wieso?«
    »Sie haben mich angestarrt und plötzlich laut >basta< gesagt!«
    »Er war sicher schon wieder bei seinen Büchern«, lacht Buddy. »Wahrscheinlich hat er dich gar nicht gesehen.«
    Luzie lächelt nur — wie Mona Lisa.
    Endlich bin ich wieder etwas bei Besinnung: »Tja, also, Kinder, ich muß heim.«
    »Ich komme mit!« erklärt Sophie und hakt mich ein. An der nächsten Ecke, außer Sicht der anderen, komme ich dann schließlich wieder ganz zu mir. Ich bleibe stehen und mustere sie von oben bis unten. Besonders diese Brille mißfällt mir: »Ahoi, Kapitän«, sage ich, »was ist denn los? Plötzlich kurzsichtig? Kurzsichtige Kapitäne gibt’s aber nicht.«
    »Sie irren sich, Colonel<, erwidert sie mit einer leicht brüchigen Baßstimme, »ich bin weitsichtig geworden.«
    »Weitsichtig? Täuschst du dich auch nicht? Normalerweise hast du damit noch vierzig bis fünfzig Jahre Zeit, Sopherl.«
    Sie betrachtet mich mit der Hoheit einer Gouvernante: »Ich irre mich nicht. Ich meine >weitsichtig< im geistigen Sinn. Und ich habe auch keine Zeit mehr. Niemand hat genug Zeit, in sich zu gehen, zu bereuen und umzukehren.«
    Ich hole kurz, aber heftig Atem: »Das klingt ja, als ob du Pfarrer werden wolltest!«
    »Ich werde Pfarrer!« Und dabei wackelt sie vor Würde mit den Nasenflügeln wie ein Kaninchen.
    »Verzeihung, Hochwürden«, sage ich, »manchmal ist es etwas schwierig, mit Ihren Berufswechseln Schritt zu halten. Man kommt direkt außer Atem.«
    Eine Weile geht sie schweigend neben mir her. Es ist so kalt, daß der Schnee bei jedem Schritt knirscht.

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