Zwei Toechter und drei Hunde
wollen’s kurz machen, Susannchen.«
Sie nickt, quetscht die Hände zwischen die Knie: »Hat er es zugegeben?«
»Er hat vertraulich mit mir gesprochen.«
»Also hatte ich recht. Er hat wirklich...« Und dann schüttelt sie das Schluchzen. Als sie wieder zu sich kommt, fühle ich, wie etwas in mir zerbricht: es ist das Bild der kleinen Susanne, des vierjährigen, zum Fressen süßen Quacks, das ich mir vor so vielen Jahren des öfteren von Addi (zu deren großer Erleichterung) pumpte, um damit zu protzen. Wie eine Abschiedsvision sehe ich sie neben mir im offenen Roadster sitzen, während wir vor einer Straßenbahnhaltestelle halten. Und vom Hinterperron sagt eine Frau, ihren Mann anstoßend: »Schau dir doch bloß das Engelchen an, das da neben seinem Vater hockt!« Noch einmal schwelle ich vor Stolz, und dann gibt es einen innerlichen Knall, einen Knall, in dem auch Susannes Backfischjahre zerplatzen, und vor mir sitzt eine junge Frau, ein Mensch, den ich noch gar nicht kenne. »Ich liebe ihn doch so!« sagt diese junge Frau und wird damit der früheren Susanne noch unähnlicher, die zum Entsetzen der Familie meist kieloben und unter dauerndem Männerwechsel auf dem wilden Meer ihrer neuentdeckten Gefühle trieb.
Dann nimmt sie meine Hand und knetet sie, wie als ganz kleines Mädchen, und für einen Moment bin ich nicht ganz sicher, ob die alte Susanne wirklich tot ist: »Ach, Colonel, was soll ich denn bloß machen? Glaubst du, er liebt mich nicht mehr?«
Ich küsse ihr die Tränen von den Augen (so ein ganz kleines Honorar verschaffe ich mir immer bei derartigen Konsultationen) und sage dann: »Ich fühle mich zwar zu völliger Diskretion verpflichtet, aber in diesem Fall möchte ich sie brechen: er liebt dich — mehr als zuvor.«
Sie starrt mich fassungslos an: »Das verstehe ich nicht! Das kann doch kein Mensch verstehen, Colonel! Dann kann es ihn eben nur verhext haben, dieses Weib!«
»So einfach ist das nicht, mein Kind. Man könnte sagen: Es ist eine Sache, die gar nichts mit dir zu tun hat.«
»Colonel! Um Himmels willen, rede nicht so geheimnisvoll! Du weißt, ich habe das Pulver nicht erfunden!«
Ich streiche ihr über das schmale Gesicht mit dem feinen, leicht gekrümmten Näschen: »Gott sei Dank hast du das nicht, Susannchen, denn es ist keine schöne Erfindung. Aber paß auf: Marc ist unter einer diktatorischen und eifersüchtigen Mutter aufgewachsen. Dann kamst du, und er riß sich von der Mutter los, auch finanziell, und das war für einen verwöhnten Bengel wie ihn beinahe noch schwerer. Aber er setzte seinen ganzen Stolz darein, seine Frau und sich selbst zu erhalten. Sind wir uns so weit einig?«
»Ja, natürlich. Und dann?«
»Und dann stellte sich heraus, daß der Berufskampf ohne den Hintergrund des reichen, bekannten alten Drachens viel schwieriger ist, als er erwartete. Es ist ja ‘ne besondere Sache: du verhandelst ganz anders, wenn du’s im Grunde nicht nötig hast, als wenn es dir auf den Nägeln brennt. Dein Verhandlungspartner spürt das sofort, wenn er nicht total dämlich ist. Hast du Geld, kriegst du hohe Honorare, ohne Geld — niedrige. Widersinnig, aber wahr. Beweist, daß wir bei unserem Berufskampf noch genauso tief im Dschungel stecken wie in der Erotik. In meinem Buch Licht von jenseits der Straße habe ich dieses Problem...«
Sie knetet wieder meine Hand: »Colonel, bitte nicht abschweifen! Du wolltest mir von Marc erzählen!«
»Wie? Ach so — entschuldige. Ja, also...«
»Du hast gesagt, daß es für ihn mit dem Geldverdienen doch schwieriger war, als er geglaubt hat.«
»Richtig. Also — er sitzt etwas in der Klemme. Hat zwar laufend Aufträge, aber so richtig flutscht es nicht. Und dann kommt plötzlich der große Auftrag von diesem Weib, dieser Witwe, und sichert ihn nicht nur zunächst finanziell, sondern öffnet ihm auch den Zugang zu jenen Kreisen von reichen, armen Irren, die ihr Geld in luxuriöse Häuser stecken, an denen nur andere Leute Spaß haben. Aber — es ist eine Bedingung damit verknüpft, wie ihm so ganz allmählich und mit dem üblichen Geschick einer erfahrenen Frau beigebracht wird.«
»Dieses Biest! Ich werde...«
»Langsam, langsam, Susanne. In der ganzen Sache hat die Frau die geringere Schuld — wenn man überhaupt von Schuld reden will.«
Ihre Augen flammen, und das kleine Persönchen richtet sich auf wie eine Kobra: »Natürlich, du als Mann...«
»Wenn du mich ausreden ließest, Susanne...«
Sie sinkt wieder in sich
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