Zwei Toechter und drei Hunde
hinter meinem Schreibtisch, und auf meinem Schoß hockt Weffchen, mit dem ich die Sache durchspreche. »Wahltöchter«, sage ich ihm ins Ohr, »sind eigentlich viel mehr Töchter als richtige Töchter. Wer weiß — wenn ich selber welche produziert hätte, was das für dürftige Plattfüßler geworden wären oder Schielböcke oder dickhintrige Enten, die ich mein Leben lang unverheiratet auf dem Hals gehabt hätte!« Weffi zuckt mit dem Ohr. Es kitzelt ihn, wenn ich so nah hineinspreche. »Und nun sieh dir dagegen unser Susannchen an! Sie hat, weiß Gott, das Pulver nicht erfunden, und in ihrer Backfischzeit hat sie uns manchen Kummer gemacht. Aber sie ist ein süßer goldiger Kerl und diesem Esel, dem Marc, treu, der sie schließlich und Gott sei Dank geheiratet hat. Da muß man doch einfach was unternehmen, um das Kind wieder glücklich zu machen! Was meinst du?« Weffi fühlt den fragenden Ton, sieht mich aus seinen stillbraunen Augen an und leckt mir über die Nasenspitze.
»Na also«, sage ich, »freut mich, daß wir einer Meinung sind. Aber wie machen wir’s nun? Soll ich dieser männerverschlingenden Witwe einen Brief schreiben? Etwa so: sehr verehrte gnädige Frau, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mich baldmöglichst zwecks einer Aussprache in einer diskreten und persönlichen Angelegenheit empfangen könnten... Das mit dem >diskret< und >persönlich< würde bestimmt die Neugier eines Weibes reizen, dessen Lasters Wurzeln Langeweile und Überfluß an Geld sind. Oder soll ich sie einfach anrufen und mich auf meine Intuition verlassen?«
Weffi reißt das Maul auf und entläßt ein lautes: »Uuuuaaa.« Ich deute diesen Laut als Ja.
»Also, wie du meinst«, sage ich, schlage im Telefonbuch nach, nehme den Hörer ab und wähle.
»Bitte?« Eine dunkle, etwas heisere Stimme. Genau Vamp auf Schallplatte.
»Frau Koller?«
»Ja — wer ist denn dort, bitte?«
»Hans George Bentz. Wann kann ich Sie mal sprechen, gnädige Frau?«
Einen Moment ist Schweigen, und dann sagt die Stimme mit einem unverkennbaren Unterton von Ironie: »Ah — der Colonel persönlich.«
»Woher...«
»Ich habe einige Ihrer Bücher gelesen, und außerdem hat mir Marc von Ihnen erzählt. Es handelt sich doch um Marc, nicht
wahr?«
»Es handelt sich um Marc — und um seine Frau.«
»Wollen Sie zu mir herauskommen?« Es klingt immer noch ziemlich ironisch, aber außerdem ein ganz klein wenig unbehaglich, und das gibt mir Hoffnung.
»Mir wäre das ein Vergnügen.«
»Dann bestimmen Sie bitte die Zeit.«
»Sie sind sehr liebenswürdig, gnädige Frau. Unter diesen Umständen würde ich sagen: jetzt sofort. Ich könnte in einer Stunde bei Ihnen sein.«
Ich höre, wie sie tief Atem holt. Und dann wieder diese dunkle Stimme: »Ich kann nicht dafür garantieren, daß Sie mich nach unserer Unterhaltung noch so liebenswürdig finden, aber — wenn Sie wünschen, ich stehe zu Ihrer Verfügung. Ihr Tempo ist jedenfalls beachtlich.«
»Es entspricht der Situation. Im übrigen bin ich sicher, daß wir uns nach der Unterhaltung gegenseitig liebenswürdig finden werden.«
»Sind Sie im Nebenberuf Hellseher?«
»Im Hauptberuf, gnädige Frau.«
»Dann werde ich schon immer den Tee vorbereiten.«
»Wenn es vielleicht Kaffee sein könnte...«
Jetzt lacht sie zum erstenmal. Und was für ein Lachen... armer Marc, ich beginne dich zu verstehen: »Zu Befehl, Colonel. Jetzt bin ich direkt neugierig auf Sie!«
Ich lege den Hörer auf. »Die männlich-sachliche Linie mit leichter Ironie getönt scheint bei ihr zu ziehen«, sage ich zu Weffi. »Auf dem Gleis werden wir also weiterfahren. Was ergibt sich daraus für unsere Aufmachung? Manager oder Bohemien, Glenchek oder Lederjacke? Ich würde sagen Lederjacke, so als ob man zum Schwätzchen ins Nachbarhaus geht. Außerdem liegt darin eine gewisse gesellschaftliche Nichtachtung, eine ganz feine Brutalität, indem man nicht die Balzfarben zeigt. Das zieht bei solchen Frauen. Die Typen, die alle Männer brutalisieren, schmelzen zu Wachs, wenn sie selbst auf Brutalität stoßen. Also, mach mal Hoppchen von Herrchens Schoß. Du darfst mitkommen und kannst im Wagen pennen, während dein Herrchen mit der Schlange kämpft.«
Als ich eine Stunde später vor ihrem Haus bremse, erwartet sie mich an der Gartentür. Sie trägt ein ganz schlichtes — ein raffiniert schlichtes — weißes Kleid mit breitem rotem Gürtel und hat das kohlschwarze Haar glatt nach hinten gekämmt und in einen Knoten
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