Zwei Toechter und drei Hunde
»Was erwarten Sie, was ich in diesem Fall tun sollte?«
»Wenn Sie wirklich lieben, würden Sie sich zu ihm ins Feuer stürzen, ganz gleich, wie hoch die Chance ist. Was hätte Ihr Leben denn noch für einen Sinn ohne ihn?«
Sie ist sehr blaß, versucht es aber mit Ironie: »Ich weiß von Marc, daß Sie sich seit jeher mit den indischen Lehren beschäftigen. Dabei haben Sie offenbar auch so ganz nebenbei die Witwenverbrennung in Ihr Programm aufgenommen!«
»In unserem Fall wäre es eine freiwillige Verbrennung, was man von normalen Witwenverbrennungen durchaus nicht behaupten konnte. Die meisten dieser armen Würmer bestiegen sicher sehr ungern den Scheiterhaufen.«
»Ich habe Sie aber im Verdacht, daß Sie trotzdem den Witwenverbrennungen eine gewisse Berechtigung nicht aberkennen!«
»Ich halte eine Frau, die einem Mann mal mit Haut und Haaren gehört und ihr großes Erlebnis hinter sich hat, unter Umständen für — hm —, für gefährliches Treibholz. Falls sie nicht zu einem zweiten, ebenso starken Erlebnis fähig ist.«
Sie steht mit einer merkwürdig müden Bewegung auf, tritt zum Fenster und starrt auf die Terrasse, die voller Rosen und Sonne und durch einen scheußlich grellblauen Fußboden verschandelt ist. Plötzlich dreht sie sich zu mir um: »Bin ich Treibholz?«
»Ich glaube nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten...«
»Lassen Sie doch den höflichen Unsinn.«
»Okay. Ich habe eine ganz gute Nase für so was und möchte behaupten, daß Sie trotz Ihrer Ehe noch nicht einmal Ihr erstes großes Erlebnis hatten. Sie suchen noch.«
Ich kann, weil sie gegen das Licht steht, ihr Gesicht nicht erkennen, als sie sagt: »Sie irren sich, glaube ich. Mein Mann war ein wunderbarer Mensch, ein großer Künstler. Ich möchte die Jahre nicht missen, die ich mit ihm leben durfte. Er war wie — wie eine Mauer um mich, und seitdem er nicht mehr da ist...«
»Er war bedeutend älter?«
»Zwanzig Jahre.«
»Ich will Ihnen nicht mit Freud kommen und die Rolle des unterbewußten Vaterkomplexes in Ihren Beziehungen untersuchen. Nur eins möchte ich Sie fragen: Hätten Sie ihn aus dem brennenden Auto geholt?«
»Hören Sie doch mit diesem Unsinn auf! Das ist ja noch schlimmer als Freud!«
»Hätten Sie?«
Keine Antwort. Sie steht wie eine Statue. Nur ihr Kopf ist auf die Brust gesunken. Nach einer Weile kommt sie wieder zu mir, setzt sich mir gegenüber. Ihr Blick ist hart: »Ich mag Ihre Fragen nicht. Außerdem sind wir doch beide keine Kinder und wissen, daß der Trauschein nicht eine Erfüllung, sondern der Beginn einer Erlebnisreihe ist, die meist zunehmend unerfreulicher wird. Im günstigsten Falle langweiliger.«
»Nur, wenn Sie falsch gewählt haben.«
»Und wie soll ich wissen, ob ich richtig gewählt habe?« Sie lacht nervös: »Jetzt frage ich schon, wie ein Backfisch Tante Min-chen fragen würde!«
»Und ich kann Ihnen mit Tante Minchen nur antworten: Das merken Sie dann schon.«
»Und wenn er mir nun nicht begegnet, der Märchenprinz, der mich zeitlebens auf Händen trägt? Nein, mein Lieber, kommt nicht in Frage! Ich bin finanziell unabhängig. Ich hole mir die Männer, die mir gefallen, und schicke sie weg, wenn sie anfangen, mich zu langweilen. Habe ich es nötig, ein Risiko einzugehen? Nehmen Sie lieber noch einen Cognac. Das, was Sie zuletzt von sich gegeben haben, war nicht first class. Vielleicht sind Sie doch ein Weihnachtsmann?«
»Wäre nicht der schlechteste Job. Ich möchte aber doch feststellen, daß nicht ich von dem Märchenprinzen gesprochen habe!«
»Nicht? Wirklich nicht? Aber wie sieht er denn aus, der Mann, der mir entsprechen würde?«
»Leider ziemlich übel. Sogenannte starke Frauen wie Sie verfallen leicht dem brutalen Playboy, der sie zwei Wochen nach der Hochzeit zum erstenmal betrügt, ihr Geld durchbringt und ihnen gleich beim Aufstehen prophylaktisch eine ‘runterhaut.«
Einen Moment sieht sie mich sprachlos an, dann lacht sie schallend und hebt ihr Glas gegen mich: »Auf uns! Wir sitzen hier, sagen uns die größten Grobheiten und haben das Gefühl, als ob wir seit hundert Jahren gute Freunde wären. Wenigstens mir geht es so.«
»Mir wird es sicher auch so gehen, wenn ich erst das losgeworden bin, was ich eigentlich von Ihnen will.«
Sie lehnt sich zu mir herüber und legt mir eine lange, kräftige Hand auf den Arm: »Ich ahne, was es ist — aber vorher, lieber Weihnachtsmann, möchte ich wissen, ob Sie nicht eine etwas
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