Zwei wie wir: Roman (German Edition)
zum Satsang, Alex«, sagt Sandra zu mir. Ausgerechnet Sandra.
»Wohin?«, frage ich verdutzt.
»Zu Buddha.«
»Ach, ich dachte, der wäre tot.«
»Nicht der Buddha. Ein Buddha. Um genau zu sein, ein Lama aus Tibet. Ein erleuchteter Meister. Du wirst schon sehen.«
»Und du meinst, der kann mir bei der Lösung meiner Probleme helfen?«
»Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass dir im Moment überhaupt jemand helfen kann, so dämlich wie du dich anstellst.«
Ich grinse. Erstens weil sie recht hat. Und zweitens weil es eben sie ist, Sandra, die das sagt.
Ich hatte mich nach unserer Nacht nicht mehr bei ihr gemeldet. Bis gestern. Überraschenderweise hat sie mir nicht den Kopf abgerissen, was ich ihr wohl kaum hätte übelnehmen können. Sie wollte wissen, was bei mir los wäre. Ihre Antwort bestand, natürlich, aus einem Lachen. Dann wurde sie ernst und sagte: »Ach, Alex. Bei mir musst du dich nicht entschuldigen, falls du das überhaupt vorgehabt haben solltest. Mir war von Anfang an klar, dass du bis zum Ende deines Lebens bei deiner Inna bleiben würdest.«
»Und was sollte dann das mit uns?«
»Keine Ahnung. Ich wollte nur spielen.«
»Na, vielen Dank auch.«
»Komm nicht auf die Idee, dich bei mir zu beschweren. Das hast du dir alles selbst eingebrockt.«
Sie hat recht. Wir verabredeten uns, und so kommt es, dass ich mich heute gemeinsam mit ihr auf den Weg zu einem Satsang mache, einer Art spiritueller Sprechstunde für Probleme in allen Lebenslagen.
Bis vor Kurzem hätte ich mir zwar kaum vorstellen können, bei so etwas mitzumachen. Aber die zurückliegenden drei Wochen haben so einiges verändert. Wird Zeit, neue Wege zu beschreiten.
Die Veranstaltung findet in einem esoterischen Zentrum im Karolinenviertel statt. Im ersten Stock ist ein großer Meditationsraum, aus dem ich schon im Treppenhaus ein vielfältiges Stimmengemurmel höre. Als ich durch die große Tür eintrete, trifft mich der Schlag. Der Lama scheint ein echter Frauenmagnet zu sein. Oder Männer haben einfach keine spirituellen Probleme – eine Meinung, die ich bis vor Kurzem ja auch noch vertreten habe. Jedenfalls sitzen in dem Raum rund 80 Anhänger des Lamas, und fast alle sind weiblich. Die wenigen anwesenden Männer sind es eigentlich auch. Irgendwie weiblich.
Einige von ihnen kenne ich übrigens, weil sie Kunden im Schuster’s sind und sich von mir einen Yogi Chai Latte machen lassen. An besonders guten Tagen gönnen sie sich sogar einen Blaubeer-Muffin dazu. Jedenfalls wenn’s der Mondkalender zulässt.
Sandra drückt mir ein Meditationskissen in die Hand und gemeinsam setzen wir uns in eine der hinteren Reihen auf den Fußboden. Ich schiebe mir das Kissen unter den Hintern und versuche mich am Lotussitz – ohne Erfolg. Halber Lotussitz – wird auch nichts. Schneidersitz – na also, geht doch.
Sandra beobachtet meine Selbstverknotungsversuche, lacht und setzt sich dann in perfekter Meditationshaltung neben mich.
Nach und nach wird es ruhig im Raum. Dann geht die hintere Tür auf, und Buddha kommt herein. Das heißt, eigentlich kommt ein ehrwürdiger, wenn auch schon reichlich gebrechlicher Asiate in einer einfachen rotgelben Robe herein, der von einem jüngeren europäischen Mann gestützt wird. Mit kleinen Schritten nähern sich die beiden dem Podest an der Stirnseite des Raums. Dann löst sich der Lama von seinem Begleiter und geht sehr langsam die Stufen zum Podest hoch, wo er sich auf einem großen, reich verzierten Seidenkissen niederlässt.
Meine anfängliche Skepsis weicht einer überraschenden inneren Ruhe. Fast kommt es mir vor, als würde von dem Lama eine Art Strahlung ausgehen, die sich wie ein sanfter Nebel über mich legt.
Der jüngere europäische Mönch klettert ebenfalls auf das Podest und kniet sich neben den Tibeter. Dann nickt er dem Publikum zu und sagt: »Meine Damen und … «, sein Blick fällt auf mich, er ist kurz irritiert, fängt sich dann aber wieder. »… meine Herren. Liebe Freunde. Ich darf euch recht herzlich zum Satsang mit Lama Rinpoche Sengen begrüßen. Ihr möget nun eure Fragen an Seine Heiligkeit richten.«
Wow. Seine Heiligkeit. Nicht schlecht. Da kommt sogar der Papst nicht mit, denke ich. Mein kurzer Spott aber versiegt schnell wieder, und die innere Ruhe erobert ihren Platz
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