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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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der Junge. »Hat sie auch einen Platz in deinen Plänen?«
    »Hóla« , sagte Will, »ich weiß es nicht. Wir kannten uns, als wir Kinder waren. Aber jetzt...«
    »Jetzt ist sie kein Kind mehr«, bemerkte Aquilar mit einem verschmitzten Seitenblick.
    Will schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Wie sie dich angesehen hat, das war ziemlich eindeutig.«
    »Eindeutig inwiefern ?«
    »Na, sie mag dich. Hey, was ist eigentlich los mit dir? So blind kann man doch gar nicht sein.«
    »Ich habe im Augenblick einfach andere Sachen im Kopf.«
    »Shoo.« Aquilar verdrehte die Augen. »Verstehe. Dann werde ich mich eben ein bisschen um sie kümmern, solange du andere Sachen im Kopf hast.«
    Will fuhr herum. »Untersteh dich!«
    »Schon gut!« Aquilar kicherte in sich hinein. »Das war bloß ein Scherz.«
    »Das will ich hoffen.« Will stand auf und ging zur Tür. Der Regen, der für eine Weile nachgelassen hatte, wurde wieder heftiger. Gleich darauf goss es in Strömen.
    »Ahééh« , sagte Aquilar, der neben ihn getreten war.
    »Danke wofür ?«, fragte Will.
    »Dass ich mit dir hier sein kann. Ich habe mich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.«
    »Ich auch nicht. Und auch nicht so müde.«
    »Dann lass uns schlafen gehen. Aber vorher könnte ich eine Dusche vertragen.« Aquilar schlüpfte aus seinen Jeans und seinen Boxershorts und ging nach draußen, um sich den Lehm vom Körper und aus den Haaren zu waschen. Will sah ihm nach und beobachtete ihn vom Türrahmen aus.
    »Na, was ist?«, rief Aquilar fröhlich aus der Dunkelheit. »Bist du etwa wasserscheu? Oder fürchtest du dich vor dem weiblichen Regen?«
    Zögernd zog auch Will sich aus und ging nach draußen, um sich zu waschen. Obwohl er hier oben war, auf der Mesa, auf Navajo-Land und in Sicherheit, musste er an die schrecklichen Momente im Gefängnis denken, wenn er gemeinsam mit den anderen Gefangenen in dem großen Duschraum gestanden hatte. Die schmutzigen Witze der Männer, die Berührungen ihrer groben Hände, die qualvolle Erinnerung, die damit verbunden war. Die Wärter hatten ihm nicht geholfen, sondern weggesehen, wenn er von anderen belästigt worden war.
    Der alte Ekel kroch erneut in Will hoch, ohne dass er es verhindern konnte. Ein brennender Klumpen in seiner Kehle. Dieser Albtraum, der ihn nie verlassen würde. Die Erniedrigung und die Angst. Der bittere Geschmack im Mund, seine blinde Wut, die schließlich explodierte.
    Nicht jetzt , dachte Will zitternd, als er nackt in der Nacht stand, nur berührt vom Wind und vom Regenvolk. Er schloss die Augen, beugte den Kopf in den Nacken und ließ die Regentropfen in seinen offenen Mund springen. Der Regen war sauber, und Will schmeckte die Reinheit, die er selbst verloren hatte.
    Plötzlich spürte Will, wie er am Arm gerüttelt wurde. Blitzartig öffnete er die Augen. Aquilar stand splitterfasernackt und triefend vor ihm.
    Will riss seinen Arm los. »Fass mich nicht an!«, stieß er hervor. Panik packte sein Herz. Mit abwehrend vorgestreckten Handflächen stammelte er: »Geh nicht weg, Aquilar, lass mich nicht allein, aber fass mich nicht an.«
    Aquilar war überrascht von Wills heftiger Reaktion.
    »Ach, Mist.« Mit aller Kraft unterdrückte Will ein Schluchzen. Er ließ die Arme sinken.
    »Hörst du das nicht?«, fragte Aquilar zitternd.
    Will strich sich das nasse Haar hinter die Ohren und lauschte. Durch den abflauenden Regen hörte er Motorengeräusche. Es waren zwei verschiedene Geräusche. Ein gleichmäßig tuckerndes wie das eines laufenden Dieselmotors und ein schneidendes, ab und zu aufheulendes Kreischen wie das einer Motorsäge.
    »Was glaubst du, ist das?«, fragte Will benommen.
    »Keine Ahnung. Hört sich an, als würde jemand Bäume fällen. Aber es ist stockdunkel und da unten wächst kein Wald.«
    »Ich werde in den Canyon steigen und nachsehen. Warte hier auf mich, okay?« Will wollte zurück zum Hogan.
    Aquilar griff nach seinem Arm, besann sich dann aber auf das, was eben passiert war, und ließ die Hand wieder sinken. »Besser, ich passe ein wenig auf dich auf, hm? Vielleicht begegnest du wieder einer Klapperschlange, und ich bin sicher, du hast deine Hausaufgaben noch nicht gemacht.«
    Sie eilten zurück in den Hogan, um sich trocken zu reiben und ihre Kleider wieder anzuziehen.
    »Tut mir leid, was vorhin passiert ist«, sagte Will. »Ich wollte das nicht. Es ist nur, ich...«
    Aquilars Augen wurden zu schmalen Schlitzen. »Wovor hast du Angst, Will?«
    »Ich weiß es nicht. Aber manchmal

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