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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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habe ich das Gefühl, meine Angst ist alles, was ich noch habe.«
    »Hat es mit dem Gefängnis zu tun?«
    Will nickte, sah weg.
    »Willst du darüber reden?«
    Will rubbelte sein Haar trocken und schwieg.
    Schließlich half ihm Aquilar. »Marias Freund Bob hat erzählt, er wäre beinahe vergewaltigt worden im Gefängnis. Er sagt, er hätte immer Angst gehabt.«
    Will atmete hörbar aus. »Ich...«, stammelte er.
    »Du bist nicht mehr drin«, sagte Aquilar. »Du bist frei.«
    »Ja, aber ich kann es auch nicht so schnell vergessen. Ich hoffe, ich kriege das irgendwann aus meinem Kopf.« Er hatte Marias Freund Bob Atisi kennengelernt. Atisi war ihm nicht sonderlich sympathisch gewesen, obwohl er bis heute nicht sagen konnte, warum. »Bob hat auch gesessen?«, fragte er. »Was hat er denn getan?«
    »Er hat in Gallup gelebt«, antwortete Aquilar, als wäre das eine Antwort auf Wills Frage. »Bob war alkoholsüchtig und hat gestohlen. Erst bekam er Bewährung, aber nachdem sie ihn ein zweites Mal erwischt hatten, sperrten sie ihn ein. Wenn er noch ein dummes Ding dreht, wandert er für zehn Jahre hinter Gitter.«
    Will runzelte die Stirn. »Und jetzt trinkt er nicht mehr?«
    Offensichtlich liebte Maria diesen Bob. Während Wills Besuch war sie fahrig und nervös gewesen. Hatte nicht mehr gelacht, so wie früher. Und dabei war er aus diesem Grund zu ihr gefahren. Weil er ihr Lachen hören wollte. Er hatte jemanden gesucht, der das Lachen noch nicht verlernt hatte - so wie er.
    Und er hatte Aquilar gefunden.
    »Maria behauptet, Bob wäre trocken«, erwiderte der Junge. »Aber Vater kann ihn nicht leiden. Er sagt: Der Weg, den uns Sich wandelnde Frau gezeigt hat, ist Bob zu beschwerlich.«
    Will dachte an das, was Großvater Sam ihm über Changing Woman erzählt hatte, als er noch ein kleiner Junge war. Dass Changing Woman als Säugling von Erster Mann und Erster Frau gefunden und aufgezogen worden war. In nur vier Tagen wurde sie erwachsen, daher auch ihr Name: Sich wandelnde Frau . Sie war es, die den Navajos beigebracht hatte, wie sie ihr Leben in Harmonie und im Einklang mit der Natur gestalten konnten.

    Will war völlig in seine Gedanken versunken, als er das Motorengeräusch wieder hörte. Er schnappte sich die Taschenlampe aus dem Regal und ging nach draußen. Aquilar folgte ihm. Jetzt hörten sie den Krach laut und deutlich, denn der Regen hatte aufgehört. Die Geräusche kamen aus dem Canyon. Was war los da unten?
    »Hat dein Großvater hier irgendwo ein Gewehr oder ein anderes Schießeisen versteckt?«, fragte Aquilar.
    Will stieß ungläubig Luft aus und schüttelte heftig den Kopf. »Nein, wie kommst du denn darauf?«
    »Na ja. Viele alte Leute haben keinen Waffenschein und verstecken deshalb ihr Jagdgewehr außerhalb des Hauses, damit sie bei einer Kontrolle keinen Ärger bekommen.«
    »Mein Großvater hat sein Jagdgewehr zerschlagen, als mein Vater sich...«
    »Schon gut!«, unterbrach ihn Aquilar, der in diesem Augenblick nicht über einen Toten reden wollte. »Dann muss es ohne gehen. Sehen wir erst einmal nach, was da überhaupt los ist.«
    Sie eilten über das mit Salbei- und Wacholderbüschen bewachsene Plateau und schlichen den Pfad am Rand des Canyons entlang, immer den langsam lauter werdenden Motorengeräuschen nach. Der Regen hatte den Staub gebunden und die trockenen Zweige und Blätter geschmeidig werden lassen, sodass ihr Vorankommen fast lautlos war. Der Sandboden hatte die Nässe schnell aufgesogen und schluckte die meisten Geräusche.
    Endlich entdeckten Will und Aquilar einen schwachen Lichtschein an einer der gegenüberliegenden Felswände unten im Canyon. Bewegte Schatten waren zu sehen, Männerstimmen zu hören. Weiße Stimmen, hart und laut. Wer immer da unten auch war, er fühlte sich sehr sicher.
    Will und Aquilar ließen sich auf die Knie fallen und legten sich flach auf den Boden, damit man ihre Silhouetten am Rand des Canyons nicht erkennen konnte.
    »Die Felszeichnungen«, flüsterte Will.
    »Was?«, ächzte Aquilar.
    »Erinnerst du dich an das, was Kaye erwähnt hat? Dort unten haben sich die Anasazi im Fels verewigt. Es sind uralte Ritzzeichnungen, noch ziemlich gut erhalten. Was könnte da los sein? Was haben die Scheinwerfer und der Krach zu bedeuten? Fotografieren macht ja wohl nicht solchen Lärm.«
    Aquilar wandte den Kopf, damit er Will in die Augen sehen konnte. »Ich weiß es nicht. Aber wir werden es herausfinden.«
    Um es herauszufinden, mussten sie in den Canyon

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