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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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näher zu sich heran. Er flüsterte: »Du hast heute Nacht merkwürdige Dinge getan, sik’ís . Aber du hast mich nicht im Stich gelassen und ich danke dir dafür.«
    Will drückte Aquilars Hand und lächelte gequält. Merkwürdige Dinge? Er würde ihn später fragen müssen, was er damit meinte.
    Kaye sah ihn an, sie konnte ihre Angst nicht länger verbergen. »Bist du auch verletzt?«
    »Nein, ich hab nur ein paar Kratzer abbekommen.«
    »Was ist eigentlich passiert?«
    »Ich weiß nicht. Alles ging so schnell.«
    »Jemand ist über Aquilars Beine gefahren?«
    »Ja. Es klingt verrückt, aber so war es.«
    »Wo ist das passiert?«
    »Im Water Hole Canyon.«
    »Mitten in der Nacht? Aber...«
    »Ich weiß nicht, was dort passiert ist und warum jemand so etwas getan hat.« Will begann plötzlich zu zittern, als wäre ihm kalt. »Ich hatte solche Angst um Aquilar. Ich brauchte ein Telefon, einen Krankenwagen... ich...«
    »Schon gut.« Kaye hatte Tränen in den Augen. »Du hast das Richtige getan.«
    Sie sah an ihm herunter und die Besorgnis in ihrem Blick wuchs. Er war genauso schlamm- und blutverschmiert wie Aquilar, das wurde Will jetzt erst bewusst. Im Slot-Canyon hatte ihm das Wasser manchmal bis zu den Knien gestanden.
    »Mir fehlt wirklich nichts«, beruhigte er Kaye. »Er hat alles abgekriegt.«
    Der Krankenwagen kam. Ein Arzt und ein Sanitäter kümmerten sich um den Verletzten. Aquilar wurde behutsam auf eine Trage gehoben und in die Ambulanz verfrachtet, wo der Arzt sofort mit der Notversorgung begann.
    »Wir besuchen dich«, rief Kaye, bevor sich die Türen der Ambulanz schlossen und Aquilar mit Blaulicht fortgebracht wurde.

    Als Will, Kaye und Arthur wieder in der Küche standen, herrschte eine Weile angespannte Stille. Kaye setzte Wasser für einen Tee auf, und Will fühlte sich genötigt zu erzählen, was im Canyon vorgefallen war.
    »Es war ziemlich leichtsinnig, was ihr da gemacht habt«, sagte Arthur, als Will seinen Bericht beendet hatte.
    Kaye warf ihrem Vater einen verständnislosen Blick zu.
    »Schon gut.« Er hob beschwichtigend die Hände. »Ich merke schon: Ich bin hier überflüssig.« Arthur stand auf und verschwand wieder in seinem Schlafzimmer.
    »Ich muss Aquilars Familie Bescheid sagen, bevor sie es von anderen erfahren«, sagte Will.
    Kaye warf einen Blick auf die Uhr. Inzwischen war es kurz nach vier. »Du wirst sie zu Tode erschrecken, wenn du sie jetzt aus dem Bett klingelst.«
    »Sie haben kein Telefon. Und bis ich mit dem Pferd dort bin, ist es bestimmt sieben.«
    »Natürlich werde ich dich zu Aquilars Eltern fahren. Aber jetzt nimmst du erst einmal ein heißes Bad. Dann sehen wir weiter.«
    Will hob den Kopf und sah Kaye an. Das lange Haar fiel ihr über die bloßen Schultern. Sie trug ein dünnes Baumwollnachthemd und darunter konnte er die Konturen ihrer kleinen runden Brüste erkennen. Atiin bik’eh hózhó , Pfad der Schönheit, dachte er und fühlte sich, als hätte er ein wunderbares Geheimnis entdeckt, halb Mädchen, halb Frau.
    Ich habe nichts, das ich ihr geben könnte.
    Tränen der Erschöpfung liefen über seine Wangen. Es war mindestens sechs Jahre her, dass er zuletzt in diesem Haus gewesen war. Im Augenblick fühlte er sich zu erschlagen, um herauszufinden, was sich verändert hatte und was beim Alten geblieben war. Er spürte nur, dass jemand fehlte. Jemand, der dieses Haus mit Fröhlichkeit erfüllt hatte. Sophie Kingleys Lachen war wie ein Sonnenaufgang über der Black Mesa gewesen. In seinem Herzen hatte Will sie immer Kleine Mutter genannt, weil sie für ihn wie eine Mutter gewesen war.
    Er ließ sich von Kaye die Stufen hinaufziehen und ins Badezimmer schieben. In Gedanken versunken, sah er zu, wie sie das Wasser in die Wanne laufen ließ und honiggelbes Schaumbad einfüllte. Der Duft von Pfirsichblüten verbreitete sich in der feuchten Luft. In diesem Badezimmer hatte sich nichts verändert, seit er das erste Mal hier gewesen war. Viele Jahre waren seitdem vergangen, aber er erinnerte sich noch sehr genau an jenen Tag.
    Eine beleidigte Kaye hatte ihn in diesem Badezimmer eingeschlossen, weil er so fasziniert vom hellblonden Haar ihrer neuen Freundin Shelley gewesen war. Will war damals aus dem Fenster gestiegen und über das Dach der Veranda geklettert. Beim Absprung hatte er sich die Hosen zerrissen und die Knie blutig geschlagen. Sophie hatte ihn unten aufgelesen und gleich wieder zurück ins Bad gesteckt, um seine Wunden zu säubern.
    Geknickt hatte Kaye

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