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Zweiherz

Titel: Zweiherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Babendererde
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und schaffte endlich ein paar Schritte auf ihn zu.
    »Hallo Will«, sagte sie zaghaft. »Yá’át’ééh!«
    Ohne sich umzudrehen, sagte er: »Hallo Kaye!« Er sprach sehr leise. Langsam wandte er sich vom Schaufenster ab.
    Will war einen ganzen Kopf größer als sie, aber das war schon damals so gewesen, als sie noch Kinder waren. Das Erste, was sie sah, als er sich umdrehte, waren seine Augen. Sie schimmerten immer noch schwarz wie die rohe Kohle von der Black Mesa. Doch aus dem schlaksigen Halbwüchsigen war ein junger Mann geworden. Brust und Schultern waren breiter, seine Hände sahen schmal aus und wirkten doch kräftig.
    Erst als Kaye bewusst wurde, dass sie Will unverwandt anstarrte, fiel ihr auf, dass er sie mit dem gleichen Blick der Neugier und Verwirrung musterte. Auf einmal spürte sie, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Wie ein sandiger Wüstenwind tobten die verrücktesten Gefühle durch ihren Körper und sie senkte den Blick auf ihre Schuhe. So oft hatte sie sich diesen Moment ausgemalt. Doch jetzt, wo Will vor ihr stand - so nah und doch so fremd -, fühlte sie sich völlig unvorbereitet.
    »Großvater Sam hat gewusst, dass du kommst«, sagte sie und strich sich verlegen eine Strähne, die ihrem Haarknoten entschlüpft war, hinter das Ohr. Sie hob den Kopf, versuchte noch einmal, ihn anzusehen.
    »Bist du das Empfangskomitee?«, fragte Will mit einem merkwürdigen Lächeln. Es schien ihm Schwierigkeiten zu bereiten, als ob das Lachen wehtun würde.
    »Nein.« Kaye schluckte beklommen. Hunderte Male hatte sie sich vorgestellt, wie sie einander in den Armen liegen würden bei diesem ersten Wiedersehen nach so langer Zeit. Doch nun war alles ganz anders. Eine unsichtbare Mauer schien zwischen ihnen zu stehen. Schlagartig erwachte sie aus all ihren Träumen.
    »Ich wusste natürlich nicht, dass du heute kommen würdest. Aber Großvater Sam hat behauptet, es würde bald sein.«
    »Und, hast du ihm geglaubt?«
    »Natürlich«, erwiderte sie, einen Anflug von Trotz in der Stimme. »Warum nicht?«
    »Die zehn Jahre sind noch nicht um.«
    »Nein«, gab sie zu. »Aber wenn Großvater Sam sagt, du kommst, dann stimmt das auch. Du bist hier, oder?«
    Will lächelte. Diesmal klappte es schon besser, das Lächeln erreichte sogar seine Augen. »Großvater ist eben ein weiser Mann.«
    In diesem Moment bemerkte Kaye, dass man hinter der Scheibe des Restaurants zu ihnen herübersah. »Ich muss den Laden aufschließen«, sagte sie schnell.
    Will deutete in das Schaufenster hinein. »Hilfst du deiner Mutter beim Verkauf?«
    Kaye ließ den Schlüssel sinken. Sie starrte ihn an und begriff nicht. Alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sollte er wirklich nicht...? Wie konnte das sein!
    Will schien es unter Kayes Blick unbehaglich zu werden. »Ist alles klar bei dir? Ich hab dich bloß was gefragt.«
    Sie wich einen Schritt zurück. »Meine Mutter ist seit zwei Jahren tot, Will. Ich habe es dir geschrieben. In meinen Briefen habe ich dir geschrieben, wie weh es getan hat und wie sehr ich sie vermisse.«
    Ein Ausdruck der Bestürzung trat in Wills Gesicht. »Ich habe sie nie gelesen«, stieß er hervor. »Ich habe deine Briefe nicht gelesen.«
    Ihr stummes »Warum?« hing in der Luft, aber er gab keine Erklärung.
    Abrupt wandte er sich um und ging fort, ohne noch einmal zurückzublicken.

3. Kapitel

    W ill ist wieder da«, sagte Kaye. Ungewollt zitterte ihre Stimme, als sie ihrem Vater diese Neuigkeit beim gemeinsamen Abendessen offenbarte.
    Arthur Kingley hob den Kopf und sah seiner Tochter aufmerksam in die Augen. Er hatte sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmte, als sie am späten Nachmittag aus Window Rock zurückgekommen war. Sie hatte verstört gewirkt und war schweigsam gewesen. Aber Arthur hatte sie nicht nach dem Grund dafür gefragt, weil er zu diesem Zeitpunkt keine Antwort von ihr bekommen hätte. Das war typisch für das Volk ihrer Mutter und Arthur hatte es in langen Jahren mühsam lernen müssen. Alles brauchte seine Zeit bei den Navajo. Es hatte keinen Sinn, mit der Tür ins Haus zu fallen.
    »Hat er nicht erst die Hälfte seiner Zeit abgesessen?«, fragte Arthur schließlich. Es gelang ihm nicht, seine Beunruhigung zu verbergen.
    Dad hat mitgezählt, dachte Kaye, und sich in Sicherheit gewähnt. Nun muss er mit der unerwarteten Tatsache fertig werden, dass Will wieder da ist. Genauso wie ich.
    »Vielleicht hat man ihn wegen guter Führung vorzeitig entlassen. Vielleicht hat sich auch herausgestellt,

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