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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Canyons über ihnen aufragten.
    Ivy tauchte neben ihm auf. Sie hustete und spuckte Wasser. Geistesgegenwärtig packte er sie an ihrem Gurt und hielt sie über Wasser, bis sie wieder genug Luft bekam.
    »Wir … müssen … auf die … andere Seite!«, japste sie. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie zurückblickte. Jay machte den Fehler und schaute ebenfalls hin. Und sah gerade noch, wie Matt Anlauf nahm und in den Fluss sprang.
    »Schwimm!«, gellte Ivys Ruf neben ihm. Sie waren abgetrieben worden, die Brücke war ein ganzes Stück weiter rechts. Aber nicht weit genug für Matt. Jay sah, wie er auf ihn zupflügte – ein gewaltiger, erstaunlich wendiger Körper, der die Wellen vor sich herschob.
    Verbissen kämpfte Jay sich weiter, während der Strom mit ihm spielte wie mit Treibholz und ihn immer wieder vom Ufer wegdrückte.
    »Jay!« Madisons klagender Ruf vibrierte vor Enttäuschung.
    Aus dem Augenwinkel sah er, dass die zwei Mädchen am Ufer entlangliefen.
    Dann streifte ihn nach Fleisch riechender Atem. Jay trat mit aller Kraft zu und traf etwas Weiches, Haariges. Ein reißender Schmerz zuckte durch seinen linken Arm. Er schluckte Wasser und würgte. Der Wellenschaum um ihn färbte sich schäumend rot.
    Ein Schuss zerriss die Luft. Matt brüllte auf – ein tiefer kehliger Schrei. Das zornige Brüllen riss ab, als das Wasser über ihm zusammenschlug.
    In diesem Moment stießen Jays Füße auf Grund. Seine Zehen versanken in Schlamm, Wasserpflanzen schlangen sich wie schleimige Finger um seine Knöchel. Er erwischte Ivy mit der unverletzten Hand am Ärmel und zog sie mit aller Kraft zu sich heran. Erschöpft robbten sie an Land, taub vor Kälte, mit klappernden Zähnen.
    »Hast du ihn erwischt?«, keuchte Ivy.
    Erst dachte Jay, sie stellte diese Frage ihm, aber jemand anderes antwortete, ein Mann mit einer tiefen, knarrenden Stimme.
    »Nicht so gut, wie ich wollte. Er ist untergegangen, aber ich glaube, er ist nur verletzt.«
    Jay blinzelte und sah im Gestrüpp vor sich zwei Stiefel. Mühsam hob er den Kopf. Im Gegenlicht des Regenhimmels konnte er den Mann, der eben ein Repetiergewehr durchlud und wieder anlegte, nur erahnen. Doch er hätte schwören können, dass der Kerl eine Samurairüstung mit flügelartigen Schulterklappen trug.
    Jay rollte sich auf den Rücken und blickte benommen in die Schussrichtung. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flusses standen Madison und Jenna.
    Wie ein Echo hallte der Schuss in seinen Ohren, bis er endlich begriff, was vor sich ging. Wie in Zeitlupe sah er, wie Jenna zusammenzuckte, auf die Knie fiel und sich krümmte. Hinter ihm erklang das metallische Schnappen des Repetiergewehrs. Der Kerl lud nach und zielte auf Madison!
    »Nein!«, brüllte Jay. Er rappelte sich auf und warf sich auf den Mann mit dem Gewehr. Er bekam den Lauf zu fassen und drückte ihn nach oben. Das Metall wirkte in der Kälte fast warm. Als der Schuss sich löste, fuhr ihm mit dem Rückschlag ein mörderischer Ruck durch seinen verletzten Arm. Greller Schmerz raste bis in seine Schulter. Er verlor wieder das Gleichgewicht und kippte zur Seite. Bitteres Schlammwasser suchte sich seinen Weg in seinen Mund. Sein Bewusstsein flackerte wie eine kaputte Leuchtstoffröhre, aber dennoch sah er, dass trotz des Regens die Sonne hervorgekommen war und das Moos vor seinen Augen in warmes Licht tauchte. Golden war es, herbstlich und so farbig, dass es fast in den Augen wehtat.
    »Das nächste Mal wird dir auch deine Pfeife nichts nützen«, sagte die Männerstimme. »Du hast wirklich verdammtes Glück gehabt, dass ich euch noch rechtzeitig gesehen habe.«
    Eine Stiefelspitze schob sich unter sein Schlüsselbein und drehte ihn auf den Rücken. Die beiden Gesichter über ihm wirkten vor dem schmalen Stück Himmel zwischen den Häuserschluchten dunkel. Aber sogar im goldenen Gegenlicht erkannte er, dass Ivy triumphierend lächelte. »Hallo, Jay!«, sagte sie sanft. »Willkommen in der Wirklichkeit!«

Teil III – herbstgold

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    q uatsch nicht, zieh ihn hoch!«
    Der harsche Befehl gellte in seinen Ohren, während er mühsam zu sich kam. Regentropfen peitschten ihm ins Gesicht. Seine Beine schleiften über etwas Kantiges, sein Arm schmerzte und neben ihm keuchte jemand. In den nassen Sachen fror er so sehr, dass seine Zähne klapperten. Er wurde bergauf geschleppt. Unter ihm bewegte sich eine Treppe – oder besser ein schlammiges, von Moos überwuchertes Konstrukt, das entfernt an eine

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