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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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Treppe erinnerte.
    »Halt an! Er kommt zu sich.« Das war Ivy, völlig außer Atem. Er konnte kaum etwas sehen. In seinem Sichtfeld tanzten Lichtblitze wie ein Schwarm von glühenden Insekten. Jedenfalls erkannte er, dass sein rechter Arm um Ivys Schulter lag. Er bewegte die Beine, versuchte aufrecht zu stehen und sackte wieder weg. Ivy und der Mann stoppten und ließen ihn auf die Treppe gleiten. »Er verliert immer noch so viel Blut!«, rief Ivy mit banger Stimme.
    »Ja, und damit legt er eine verdammt gute Fährte«, antwortete der Mann. »Wird nicht mehr lange dauern, bis unsere Freunde hier auftauchen.«
    Jay sah benommen an sich hinunter. Das war ein neuerlicher Schock. Sein linker Arm war zwar notdürftig verbunden worden, aber das Blut hatte den Verband komplett durchtränkt und tropfte von seinen Fingern. Seine Hand sah aus, als trüge sie einen roten, glänzenden Handschuh. Er fühlte sich so schwach wie noch nie in seinem Leben, jetzt aber wurde ihm auch noch todübel. Ivy legte ihm die Hände um das Gesicht und zwang ihn, sie anzusehen. Ihre Augen waren lodernde, dunkle Flecken, Regen rann ihr aus dem nassen Haar.
    »Nicht wegschauen, Jay. Bleib wach!«
    »Das ist der Schock«, sagte der Mann mit der knarrenden Stimme. »Er verliert wirklich viel Blut, mal sehen, ob er es überlebt. Vermutlich ist es schon zu spät.«
    »Columbus!«, fauchte Ivy. »Hör auf!«
    Columbus , dachte Jay. Der Kerl, der Jenna erschossen hat, heißt Columbus? Ach ja, und übrigens: Ich verblute.
    Sein Gesicht glühte, vielleicht wirkte der Regen, den der Wind ihm ins Gesicht fegte, deshalb kalt wie Eisspitzen.
    »Wir können ihn nicht zu zweit die ganze Strecke schleppen«, schnarrte Columbus. »Hol Faye! Ich warte hier. Und bring Verbandszeug mit. Aber das Wichtigste ist die Aderpresse.«
    »Es dauert nicht lange, halte durch!«, flüsterte sie. Die Angst in ihrer Stimme machte es nicht besser. Jay wurde schwindelig und er sackte hilflos gegen diesen Mann.
    »Langsam, mein Freund. Kipp mir hier nicht um.« Columbus war nicht der Größte, aber offenbar sehr kräftig. Mühelos stützte er Jay ab. Zum ersten Mal konnte Jay ihn wirklich sehen. Insektenmann , dachte er. X-Men. Ich bin unter die Mutanten geraten . Dann erkannte, dass der Mann eine Art Fernglas vor die Augen geschnallt hatte, das er nun abzog. Gerötete, schmale Augen kamen zum Vorschein. Columbus mochte vielleicht sechzig Jahre alt sein. Er hatte ein hageres Gesicht mit scharfer Nase und eine Halbglatze, die von einem graugelben Lockenkranz umrahmt wurde.
    »Na los, streng dich an. Wir müssen zum Gebäude da oben kommen. Andernfalls werden wir gefressen, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Jay schrie auf, als Columbus ihn auf die Beine zog, aber er stand tatsächlich, wenn auch etwas wackelig. Wärme rann über seine Finger, versickerndes Leben. »Ich muss sofort zurück«, sagte er mit schwacher Stimme. »In die Notaufnahme.«
    »Hier gibt es schon lange keine Notaufnahmen mehr. Aber wenn es dir hilft, kannst du dir ja einbilden, dass ich Arzt bin. Na los!«
    Jay hob den Blick und entdeckte hinter der obersten Treppenstufe den umrankten Fuß einer gewaltigen griechischen Säule. Daneben war ein bogenförmiger Durchgang, zu dem der Mann ihn nun Stufe für Stufe hochschleifte. Das Gebäude war riesenhaft, insgesamt ruhte das gewaltige Dach auf acht Säulen, jede von ihnen sicher mehr als zehn Meter hoch. Es wirkte wie ein gigantischer griechischer Tempel, der in einem Urwald versunken war. Oder wie ein Dornröschenschloss. Das Gebäude kam Jay sehr bekannt vor, aber er konnte es nicht zuordnen.
    »So werden sie dich aber nicht ins Museum lassen«, sagte eine wohlbekannte Stimme. Liberty war ihm in die andere Welt gefolgt? Tatsächlich, die Holländerin erwartete ihn auf der obersten Treppenstufe sitzend. Inmitten des Verfalls und im strömenden Regen wirkte sie so fehl am Platz wie eine filigrane Zuckergussfigur in einer Steinzeithöhle.
    Jay stolperte über die letzte Treppenstufe, setzte sich hin und lehnte sich an den Sockel der Säule. Glühende Flecken tanzten vor seinen Augen und nahmen ihm die Sicht, aber er riss sich zusammen und zwang sich mit zusammengebissenen Zähnen, gegen den Schockzustand anzukämpfen. Keine Notaufnahme, hallte es in seinem Kopf.
    Columbus kniete neben ihm und zerrte etwas aus seiner Jackentasche. Er förderte einige ziemlich schmutzige Stoffstreifen und ein Lederband zutage und begann ohne Umschweife, einen Druckverband

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