Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
war schmutzig und gruselig. Nicht schmutzig in der Art wie »Liebes Penthouse -Forum, ihr werdet nicht glauben, was mir am letzten Murmeltiertag passiert ist«, sondern auf schlimme Art schmutzig und gruselig.
Wir stürzten ins Bodenlose. Wir fielen eine lange Zeit oder vielleicht auch nur eine halbe Sekunde lang. Wir versuchten, Gandalf nachzueifern, und fielen, während Höllenfeuer an uns vorbeirauschte und sogar durch uns hindurchschoss. (Fragen Sie nicht, ich weiß auch nicht, wie das geht!) Während des Falls hörte ich Zischen und Rufen und Laute, die ich überhaupt nicht einordnen konnte, Laute, die ich niemals im Leben gehört hatte und auch nie wieder hören wollte.
Mein Kopf schmerzte von Lauras Backpfeifen, meine Zehen brannten von dem Tritt vor ihr Schienbein. Ich wünschte mir sehnlichst, dass der Antichrist ein Mann wäre, dann hätte ich ihr nämlich in die Eier getreten. Ich wünschte, ich befände mich immer noch mit Sinclair in unserem Schlafzimmer. Ich wünschte, ich trüge meine Jimmy-Choo-Pumps mit Schlangenhaut-Prägedruck – mit ihnen werden Zehen zur tödlichen Waffe. Ja, ich wünschte sehnlichst, ich hätte nicht noch einen Smoothie getrunken. Gut möglich, dass ich die erste Vampirkönigin sein würde, die Erdbeer-Smoothie über ein Höllenportal kotzte. Igitt. Was, wenn es gar ein Erdbeer-Bananen-Smoothie gewesen wäre …
»Lass los !«, kreischte meine Schwester und schaffte es schließlich, sich aus meinem Griff zu befreien. Furchtbar beschämend eigentlich, aber immerhin befanden wir uns ja in der Hölle, also auf ihrem ureigenen Territorium. Und ich hatte Angst.
Nicht vor ihr … okay, ein bisschen doch. Ich hatte heute eine Seite von Laura kennengelernt, an deren Existenz ich nicht einmal im Traum geglaubt hätte. Ganz schön idiotisch von mir. Schließlich hatte ich schon miterlebt, wie sie Menschen tötete.
Aber ich war immer noch ein Neuling in der Welt der Vampire. Ich fürchtete, wenn ich Laura mit aller Kraft festhielte, würde ich sie auf eine Weise verletzen, die selbst ein gefallener Engel nicht verkraftete. Laura mochte der böse Antichrist sein, aber sie besaß einen menschlichen Körper mit Schädel und Nacken, und beides war nun einmal zerbrechlich. Also ließ ich es geschehen, dass sie sich befreite.
Was rückblickend gesehen ziemlich dumm war. Ich fiel wieder (oder immer noch?). Bloß hatte ich jetzt keine Führerin mehr, die mich im freien Fall verfluchte.
Wach auf!
Ich hatte niemanden mehr.
Wach auf, Betsy!
Ich fiel einfach weiter, ganz allein.
Wach auf!
Auf ewig. Oder vielleicht nur eine halbe Sekunde lang. Ich stürzte durch die Hölle und hatte keinen Aufpasser mehr.
20
Genau in dem Augenblick, als die zischenden, unheimlichen Geräusche der Hölle aufhörten, setzte der vertraute Verkehrslärm einer Großstadt ein. Und das geschah nicht allmählich und in der Art, wie man die Lautstärke mittels Fernbedienung aufdreht, bis sie einem zusagt, auch wenn Mutter das viel zu laut findet.
Nein, es war eher ein Zisch / Krach / Knall . Ich fand mich auf Händen und Knien auf einer … Straße wieder. Konnte das denn sein? Ja. Es war definitiv eine Straße in einer Stadt. Eine belebte Straße. Okay, das war doch schon mal gut. Ich stürzte nicht mehr, und ich befand mich nicht länger in der Hölle. Es hätte schlimmer kommen können. Es war schon viel schlimmer gewesen .
Zitternd stand ich auf und vernahm zu meiner Erleichterung ein weiteres vertrautes Geräusch: das Kreischen einer Vollbremsung.
Moment mal. Bremsen?
Hey, ich kann fliegen! Eine neue Superkraft. Das Vampir-Dasein wurde immer cooler. Seht mich nur an!
Und ich konnte auch noch schnell fliegen. Ich flog an allen möglichen glänzenden Oberflächen vorbei … Mann, sah ich cool aus! Wie Supergirl, nur mit einem tolleren Vorbau.
»Schaut mich a-han, die Vampirkönigin, so schön, so kostbar, und der Wind spielt in ihrem Haar …«
(Aua.)
21
So also konnte es geschehen, dass ich in der Leichenhalle des Cook County landete. Im gottverfluchten Chicago . Wer hätte gedacht, dass es ein Portal gab, das von meinem Haus in St. Paul durch die Hölle geradewegs zur Magnificent Mile in Chicago führte? Sie sah allerdings nicht mehr so prächtig aus, nachdem der Fischlaster mich erwischt und durch das Schaufenster eines (man beachte die Ironie) Payless-Schuhgeschäftes geschleudert hatte.
Natürlich hielten sie mich für tot und stopften mich in einen übel riechenden Leichensack. Sie kennen doch
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