Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
Entweder war Graham übervorsichtig oder feige. Oder beides.
»Hier verschwinden ständig Leichen. Also Tote, nicht Leichen wie Sie, die plötzlich aufstehen und herumlaufen.« Er starrte schon wieder auf meine Titten. Aber er hatte eine schlimme Nacht hinter sich, also verpasste ich ihm keine Ohrfeige. Blödes enges T-Shirt.
»Ich könnte Ihnen möglicherweise dabei helfen, das Vorgefallene zu vergessen«, schlug ich vor. »Dann hätten Sie keine Angst mehr und wären auch nicht mehr geil. Sie wären einfach … wieder ziemlich normal, als wären Sie nicht von einer skrupellosen nackten Untoten angegriffen worden.«
»Wagen Sie es ja nicht!« Er hielt beide Hände hoch und wich vor mir zurück. »Lassen Sie bloß diese Vampir-Hypnose stecken! Ich habe mir diese Erinnerungen verdient, Sie dürfen sie mir nicht wieder nehmen.«
»Okay, okay, beruhigen Sie sich! Und nochmals sorry. Sie sollten nun lieber gehen, mein Taxi ist da.«
»Ja, ich muss jetzt erst mal eine Menge Wodka trinken. War nett, Sie kennenzulernen. Glaub ich zumindest.« Graham entfernte sich, und ich schlenderte zu der Ladezone, die Tina mir beschrieben hatte (zum Glück kann man ja heutzutage alles im Internet googeln).
Es war eher eine Ent ladezone: Ich stand genau dort, wo die (würg!) Leichen angeliefert wurden. Die Leichen, denen es besser gelang als mir, tot zu bleiben. Keine Ahnung, woher Tina das gewusst hatte, aber in der Entladezone hielt sich keine Menschenseele auf. Sie war ein großes, unheimliches, sehr gut beleuchtetes Lagerhaus (wie viel Geld wohl für diese riesigen Leuchtstofflampen aus dem Fenster geschmissen wurde?) und unheimlich sauber. Hier waren nur ich und all diese Lampen und mein Taxi.
Und was für ein Taxi!
23
»Boah.« Ich hatte in den letzten drei Jahren ja schon viele unglaubliche Dinge gesehen, zum Beispiel meinen eigenen Grabstein ( Unsere Liebste, unvergessen … kotz), aber das war nichts im Vergleich zu dem Anblick, der sich jetzt meinen Augen bot.
Das größte und luxuriöseste Wohnmobil, das mir je unter die Augen gekommen war, rollte majestätisch in die Entladezone. Es war cremefarben mit braunen Leisten, die Fenster waren blank geputzt und beinahe zwei Meter hoch. Dort, wo in einem Greyhoundbus das Gepäck der Passagiere verstaut wäre, glitten Klappen auf, und zum Vorschein kam … ein roter zweisitziger Ferrari. Sinclairs Ferrari!
»Was zum Henker …«
Die Vordertür des Wohnmobils sprang auf, und ich erwartete fast, ein Dutzend Clowns heraushüpfen zu sehen. Doch in der Tür stand nur Tina. Sie trug jetzt weiße Leggings (Angeberin! Meine Oberschenkel würden in weißen Leggings aussehen wie Weihnachtsschinken) und einen himmelblauen Rollkragenpullover. Sie sah aus wie eine Ski-Elevin (die dich töten und aussaugen und deine Leiche dort verstecken würde, wo niemand sie jemals fand). »Meine Königin! Ich bin ja so erleichtert, dass Euch nichts zugestoßen ist!«
In einem Akt beispielloser Grausamkeit wurde sie beiseitegestoßen, fiel hin und schürfte sich die Nase am Straßenpflaster auf. Sinclair rannte glücklich auf mich zu. Er umarmte mich so stürmisch, dass er mich von den Füßen riss. Ich wusste, dass Tina, der soeben sorgsam von Marc aufgeholfen wurde, ihrem König die unritterliche Handlung vergeben würde, denn sie sah geradezu erfreut aus ob ihrer Blessuren. Sie heilten, noch während ich hinsah.
»Ich bin ja so froh, dass nnnnggggg …« Ich habe bereits erwähnt, dass ich kaum Sauerstoff brauche, nicht wahr? Und das war auch gut so. Denn Sinclair war eifrig dabei, meine armen Lungen zu untoten luftlosen Klumpen zu zerquetschen. »Ooooommmmmgggggrrrrggglll!«
»Meine Liebste, meine Allerliebste, ich bin ja so froh, dass dir nichts passiert ist!« Sinclair sagte es an meinem Hals, und dann spürte ich einen stechenden Schmerz, als er mich biss.
Das war ein wahrhaft seltenes Vorkommnis. Mein Gatte war normalerweise der Inbegriff der Beherrschtheit und zeigte seine Zähne nur im Schlafzimmer. Oder zufällig ausgewählten Vergewaltigern. (Es ist gewiss nicht schön, dass ich gern Vergewaltigungsopfer spiele und dass mein Mann und ich uns dann von besagtem Vergewaltiger nähren, stimmt’s?) Dieser eine unbeherrschte Biss verriet mir alles, was ich über seine Sorge und seine Liebe zu mir wissen musste.
»Jetzt komm mal wieder runter!«, sagte ich.
»Du darfst mich niemals mehr so in Angst und Sorge versetzen. Niemals, niemals wieder.«
»Du bist viel zu faul und verklemmt, um
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