Zweimal Hölle und zurück (German Edition)
diese Sohlen beim US - Patent- und Markenamt schützen lassen. Irre, was?«
Der sich verjüngende Absatz, die raffinierte Farbgebung und die grelle und dennoch subtile rote Sohle der Louboutins waren einfach sagenhaft, und erst letzten Monat hatte ich mir seine neueste Kreation leisten können: mit einem Reißverschluss im Fersenteil! Schwarze Stiletto-Pumps mit roter Sohle, ein Reißverschluss, der die Ferse teilt, mit einem winzigen Schiebergriff aus Silber. Ach, Christian, wie konntest du mich nur verlassen?!
»Wenn es sich um jemand anderen handelte«, hörte ich Marc sagen, »würde ich eine Bluttransfusion und Eisentabletten verordnen. Mich legst du nicht rein, Blondie, ich weiß, dass dir schwindelig ist.«
Natürlich hatte er recht. »Ihr habt ja keine Ahnung! In den Neunzigern hat er sozusagen im Alleingang die Stilettos wieder populär gemacht. Er hat die Schuhe entworfen, die ich auf meiner Hochzeitsreise trug, auf der ich fast getötet worden wäre. Und in diesem Zeitstrom existiert er nicht.« Ich brach in Tränen aus. Was alle in Alarmbereitschaft versetzte und was ich armseligerweise tröstlich fand.
»Es waren rote flache Schuhe, und sie waren wunderschön, weil sie toll aussahen. Ich konnte auch mit ihnen rennen, und sie haben mir so viel bedeutet, weil ich sie auf meiner Hochzeitsreise bekommen habe, womit ich ja gar nicht mehr gerechnet hatte, aber schließlich hat der blöde Sinclair ja doch noch eingewilligt, mich zu heiraten.« Jetzt heulte ich wie ein Schlosshund.
»Du bist zwar zum Milchholen zu dämlich«, sinnierte Marc, »kennst jedoch die gesamte Biografie eines Schuhdesigners auswendig?«
»Okay, deine Rettung steht ab sofort nicht mehr auf meiner To-do-Liste.« Ich schniefte und setzte mich auf. »Verdammt. Tränen bringen ihn auch nicht zurück und zaubern mir keine heißen Schuhe in den Schrank. Garrett lebt, aber Christian Louboutins gibt es nicht mehr? Das ist ja wie in Sophies Entscheidung .«
Marc tätschelte meine Hand. »Das ist die richtige Einstellung!«
31
»Glaube nur ja nicht, dass ich dir deinen Schmerz nicht nachfühlen könnte«, begann Sinclair, als wir alle wieder die Treppe hinunterpolterten. Ich wappnete mich, denn das war die typische männliche Einleitung zu: Ich muss dir jetzt etwas sagen, das dich furchtbar wütend machen wird. »Aber wo ist der Vampir?«
»Die Marc-Kreatur«, sagte ich, und Jessica nickte.
»Ja, hört sich seltsam an, passt aber zu diesem Ding. Man hört förmlich die Großbuchstaben.«
»Was kann ich schon sagen?«, murmelte Marc. Ihm war sichtlich unbehaglich zumute, dennoch wirkte er fasziniert. »Ich sterbe halt und werde ein Arsch.«
Äh. Das stimmt nicht so ganz. Du wurdest dazu, weil ich dich entweder dazu gemacht oder dich nicht davor bewahrt habe. Und dann habe ich eine jahrelange treue Freundschaft mit Jahrzehnten der Folter vergolten, wollte dich jedoch nicht aus deinem Elend erlösen. Ich lasse dich in meinem beschissenen Wintergehege der Zukunft umherstreunen und alle Leute zu Tode erschrecken, während ich Zombies züchte und graue Kostüme trage. Graue Kostüme! Und Jesus weinte …
(Moment mal, hätte ich das nicht im Futur schreiben müssen? War es überhaupt die Zukunft? Präsens war wohl eher angemessen. Vielleicht hätte ich das Imperfekt wählen sollen, weil ich doch über Dinge nachsann, die ich bereits getan hatte, vielmehr getan haben werde . Verdammte Zeitverdrehung!)
Natürlich hatte ich nichts davon laut gesagt … ich bin nicht ganz so dumm, wie die Leute denken. Vermutlich. Vielleicht.
»Er sitzt im Keller. Kurz bevor ihr zurückgekommen seid, habe ich nach ihm geschaut.«
»Boah, Moment mal!« Ich stoppte so abrupt, dass Marc in mich hineinrannte. Ich musste mich am Geländer festhalten, um nicht kopfüber die Treppe hinunterzusegeln. »Versteht mich nicht falsch, Leute! Es ist super, dass ihr mich gerettet habt, doch habt ihr etwa eine Schwangere ohne Superkräfte allein zurückgelassen, um die Marc-Kreatur zu bewachen?«
»Und Garrett.«
Ich schwieg. Ich nahm an, dass Garrett im Keller Wache schob, während wir dieses ungemütliche Gespräch auf halber Treppe führten. Aber Garrett war ein Feigling und wenig verlässlich. Zumindest war er in meiner alten Realität feige gewesen. Wie hatte er noch vor Kurzem gesagt? Seine Liebste sei tot, und deshalb fürchte er sich vor gar nichts mehr. Ja, sicher. Doch vielleicht gab es da doch noch etwas, vor dem er Angst hatte. In dem alten Zeitstrom hatte ich
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