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Zweimal Hölle und zurück (German Edition)

Zweimal Hölle und zurück (German Edition)

Titel: Zweimal Hölle und zurück (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
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strikt ab, den Genozid an unschuldigen Ureinwohnern zu feiern, und Jessicas Eltern waren im November gestorben, deshalb mochte sie grundsätzlich keine November-Feiertage … Halt, das stimmte nicht ganz: Gegen den Veteranentag hatte sie nichts einzuwenden, fiel mir ein.
    Lauras Adoptiveltern begingen Thanksgiving, indem sie zur Feier des Tages in einer Suppenküche arbeiteten. Das klingt auf dem Papier sehr edel, aber die krude Realität ist die, dass man den ganzen Tag herumsteht und an verzweifelte Menschen billiges Essen austeilt. Ich habe mich einmal dazu bequatschen lassen, und – ja, ich gebe es zu, ich bin eine selbstsüchtige Kuh – ich würde es jedenfalls nicht noch einmal machen. Der Tag endete damit, dass ich heimstolperte und überlegte, ob es möglich wäre, mich mit einer Überdosis dunklem Fleisch umzubringen.
    Bu-huu, stimmt’s? Genau. Mir ist schon klar, wie sich das anhört. Ich könnte ja mit meinem Gemahl und meinem Halbbruder und Sohn, mit Jessica, D/Nick und ihrem kleinen Baby sowie mit Tina und Marc neue Traditionen entwickeln. Aber dazu müssten wir erwachsen und umsichtig genug sein und in einer gemeinsamen Anstrengung versuchen, Thanksgiving nicht zu hassen … und das klingt einfach viel zu anstrengend.
    Trotz meiner wütenden Erwägungen lebte ich auf, als ich in die Fourth Street, Moms Straße, einbog und mich ihrem schmucken Häuschen näherte. Ich hoffte nur, Mom hatte endlich mal begriffen, wie wichtig für ein Kleinkind eine sichere Umgebung ist, denn bald würde Baby Jon anfangen zu laufen. Vermutlich. Ich sollte mir in nächster Zeit auch mal so einen Erziehungsratgeber reinziehen. Ich hatte überhaupt keine Ahnung, über welche Meilensteine in der Entwicklung Schwestern oder Mütter untereinander zu schwärmen pflegten.
    Allein die Tatsache, dass Baby Jon in der Obhut meiner Mom war, war toll – und unerwartet. Am Anfang hatte sie nämlich null Interesse gezeigt, das Kind ihres verstorbenen Mannes zu sitten. (Baby Jon, Laura und ich hatten denselben Vater.) Aber manchmal tauchten unvorhergesehene Vampir-Probleme auf, und dann willigte sie brummelnd ein, auf ihn aufzupassen, damit ich dem Antichristen helfen konnte, einen Serienmörder zu töten, oder damit es mir gelang, Sinclair aus einer Gruft voller böser Bibliothekare und wütender Werwölfe zu befreien.
    Mit der Zeit war der kleine Scheißer Mom richtig ans Herz gewachsen; und er war ja auch wirklich ein pflegeleichtes Kind. Baby Jon weinte nur, wenn er hungrig war oder fror. Und er war so niedlich! Mom hatte sich sogar freiwillig erboten, ihn vor dem Wochenende zu nehmen, als Laura und ich auf Zeitreise gingen; ich hatte sie nicht einmal fragen müssen. Das war riesig nett, da ich ja am nächsten Tag zur Hölle fuhr. Aber ich schweife ab.
    Jetzt wollte ich Baby Jon unbedingt sehen. Ich wollte ihn in den Armen halten und seinen niedlichen, dicken Körper betrachten. Ich wollte über dieses Kind staunen, das technisch gesehen ja nicht mein Sohn war, und an den großartigen Mann denken, der er einmal werden würde. Der einzige Sohn, den ich jemals haben würde.
    Konnte es so einfach sein? War ich deswegen auf Jessicas Schwangerschaft neidisch? Das musste ich mir eingestehen. Ich mag zwar selbstsüchtig sein, aber gewiss nicht verblendet.
    Außerdem fehlte mir Baby Jon. Zugegeben, wenn er einige Stunden bei uns war und sämtliche Windeln vollgeschissen hatte und Erbspüree auf meinen Pullover spuckte und Sinclairs Cole-Haan-Halbschuhe mit den Resten seines Fläschchens vollsabberte, dann vermisste ich ihn nicht mehr. Aber im Augenblick … ja. Im Augenblick fehlte er mir. Auch deshalb war ich gekommen.
    Ich bog in die Einfahrt zu Moms Häuschen in Hastings, einem hübschen Städtchen am Mississippi. Das Haus lag in Cowtown, ein alter Name aus jener Zeit, als die Gegend noch eine riesige (richtig geraten!) Kuhweide gewesen war.
    Eine winzige Abschweifung nur: Wieso lassen sich die Leute von Tieren vorschreiben, wo sie Straßen anlegen oder gar Städte bauen sollen? In Boston haben sie einst die Kuhwege gepflastert und gesagt: »Hey, wenn die für begriffsstutzige, wiederkäuende Rinder gut genug sind, dann werden sie der Stadt noch vier Jahrhunderte lang erhalten bleiben.« Und das Ergebnis haben sie dann Interstate 93 genannt.
    Und in Mexiko haben sie einen Adler auf einem Kaktus gesehen, der gerade eine Schlange fraß. »Leute! Hey, Leute! Hier sollten wir Tenochtitlan bauen!« Und rums! Noch eine Großstadt. Wegen eines

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