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Zwergenbann: Roman

Zwergenbann: Roman

Titel: Zwergenbann: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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Anmaßung hatten die Thir-Ailith nicht zugelassen, dass ihr Schlachtvieh andere Götter neben ihnen verehrte - Wesen, die unsterblich und mächtiger als sie selbst waren, da sie sich als die alleinigen Herren über Leben und Tod wähnten.
    Auch zwischenzeitlich blieb Lian immer wieder kurz stehen. Für ihn war innerhalb der letzten Stunde seine gesamte Vorstellung von der Existenz zusammengebrochen, und es musste für ihn eine Ungeheuerlichkeit darstellen, so hoch in den vermeintlichen Himmel emporzusteigen. Obwohl ihm die Zeit unter den Nägeln brannte, gönnte Barlok ihm diese wenigen Sekunden, um sich mit dem abzufinden, was er nicht einmal im Traum für möglich gehalten hatte.
    Während sie den letzten Absatz zur obersten Ebene erklommen, fragte er sich, wie der Junge wohl erst auf den Anblick der gigantischen Höhle dort reagieren würde.
    »Du kennst die Höhlen dort, wo du herkommst«, versuchte er
ihn schonend auf das vorzubereiten, was ihn erwartete. »Es gibt kleine Grotten wie dein Versteck, aber auch riesige Hallen wie die, in der wir uns begegnet sind.«
    Lian nickte.
    »Nun, es gibt Höhlen, die noch viel, viel größer sind, so groß, wie es dir wahrscheinlich im Moment noch völlig unvorstellbar erscheint. So gewaltig, dass die größten Hallen, die du bislang gesehen hast, gleich mehrfach dort hineinpassen würden. Versuch dir das vorzustellen. Kannst du das?«
    Erneut nickte Lian, aber es wirkte nicht allzu überzeugend.
    »Weißt du, die Größe einer Höhle spielt gar keine Rolle, es ist immer nur eine Höhle. Ein leerer Raum mit einer Decke, einem Boden und Wänden aus Fels. Stell dir vor, die zwei größten Höhlen, die du kennst, würden direkt nebeneinander liegen, und nun würde jemand die Wand zwischen ihnen herausschlagen. Kannst du dir vorstellen, wie gewaltig diese Höhle dann wäre? Gut. Und nun stell dir vor, jemand würde bis zur Decke emporklettern und dort immer mehr Fels wegschlagen. Die Höhle würde dadurch höher werden. Höher und immer höher. Und wenn man weitere Wände einreißt, würde sie auf diese Art in jede Richtung wachsen, bis sie dreimal, viermal, schließlich zehnmal so groß wie am Anfang ist. Kannst du dir vorstellen, wie das dann aussähe?«
    »Nicht richtig«, sagte Lian kläglich. »Eine so große Höhle kann es einfach nicht geben.«
    »Doch, es gibt sie. Du wirst es gleich sehen. Der Anblick wird dich sicher erschrecken, aber dann halt dir vor Augen, was ich dir gerade gesagt habe.«
    Sie hatten das Ende der Treppe erreicht. Barlok legte dem Jungen eine Hand auf die Schulter und führte ihn durch den Torbogen in die gigantische Halle.
    Wie erstarrt blieb Lian einige Sekunden lang stehen und gaffte fassungslos das an, worauf der Kriegsmeister ihn mit Worten vorzubereiten versucht hatte. Dann stieß er einen erstickten Schrei aus, schlug die Hände vor die Augen und warf sich zu Boden.

    »Du sollst dir nicht deine Hände vor Augen halten, sondern das, was ich dir beschrieben habe«, sagte Barlok mit sanftem Spott und ging neben ihm in die Hocke. »Ich weiß, diese Halle ist ungeheuerlich. Sie war schon immer gewaltig, aber so riesig ist sie erst auf die Art geworden, wie ich es dir geschildert habe. Man hat Zwischenwände eingerissen und sie immer weiter vergrößert. Angehörige unseres Volkes haben das getan, Zwerge wie du und ich. Deine Vorfahren, die einst frei und mächtig hier gelebt haben.«
    »Nein«, wimmerte Lian. »Das ist unmöglich, das kann nicht sein. Das ist nur ein Trugbild. Mach, dass es verschwindet, bitte mach es weg!«
    »Es ist kein Trugbild, sieh es dir an. Sieh die Säulen, die die Decke tragen, damit sie nicht einstürzt. Viele von ihnen sind Überbleibsel der Felswände, die sich einst durch diese Höhle zogen.«
    Minutenlang redete Barlok auf den Jungen ein, bis dieser endlich den Mut aufbrachte, wieder aufzustehen und die Augen zu öffnen, und anschließend benötigte er noch einmal mehrere Minuten, bis er Lian dazu bewegen konnte, die Halle zu betreten.
    Damit war das Schlimmste überwunden. Obwohl - oder vielleicht gerade weil - er den größten Teil seines bisherigen Lebens in Sklaverei verbracht hatte, war der Verstand des Jungen stark und zerbrach nicht an den Ungeheuerlichkeiten, mit denen er sich konfrontiert sah. Im Gegenteil, nachdem er die Existenz dieser Halle einmal akzeptiert hatte, erwachte die für einen Knaben seines Alters völlig normale Neugier in ihm. Staunend blickte er sich um, hätte sich am liebsten alles

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