Zwergenbann: Roman
zuletzt hauptsächlich abwärts geführt hatte, waren sie weit unterhalb der Schneegrenze, ziemlich am Fuße des Gebirges herausgekommen.
Büsche mit dicken Ästen, von denen wohl auch das Holz für Torgs Fackeln stammte, wucherten auf einem Streifen Land von ein bis zwei Meilen Breite vor ihnen. Dahinter erstreckte sich flaches Steppenland, so weit der Blick reichte.
Sie waren in Udan angelangt.
24
DIE THIR-AILITH
Barlok konnte sich kaum daran erinnern, wie sie den Rückweg zu Lians Versteck zurückgelegt hatten, er wusste nur noch, dass das Entsetzen nicht nur in ihm, sondern auch in seinen beiden Begleitern so tief saß, dass während des ganzen Weges keiner von ihnen auch nur ein Wort gesprochen hatte.
Dunkelelben!
Der Schrecken, vor dem sie aus Elan-Dhor geflohen waren, hatte sie nicht nur eingeholt, sondern war ihnen vorausgeeilt. Zarkhadul war kein sicherer Hafen, in dem sie Schutz vor den Bedrohungen finden konnten, mit denen sich ihr Volk konfrontiert sah, sondern stattdessen sogar eine neue Quelle von Gefahren.
Die Geschichte wiederholte sich, und das war vielleicht das Schlimmste an der Entdeckung. Vor wenigen Monaten hatten sie schreckliches Unheil über ihr Volk gebracht, als sie bei einer Expedition in die Tiefe das Siegel gebrochen hatten, mit dem die Hochelben die unterirdischen Höhlen verschlossen hatten, in die sie die Abtrünnigen ihres Volkes verbannt hatten. Und nun hatten sie von der Oberfläche einen Weg nach Zarkhadul geöffnet, nicht ahnend, dass auch diese Mine bereits von den Dunkelelben erobert worden war.
Wie aussichtslos zum gegenwärtigen Zeitpunkt und ohne die Hilfe der Hochelben ein Kampf gegen sie war, hatte die Schlacht am Tiefenmeer gezeigt. Sie konnten nur hoffen, unbemerkt wieder aus Zarkhadul zu entkommen und den Zugang so gründlich zu verschließen, dass selbst die Dunkelelben ihn nicht erneut öffnen könnten.
So, wie es mit dem Baran-Tahal und allen weiteren früheren Zugängen geschehen war …
War das die Erklärung dafür, dass es mehr als tausend Jahre lang nicht möglich gewesen war, nach Zarkhadul zu gelangen, und für Schürfmeister Vilons Vermutung, dass die Eingänge nicht einfach nur verschüttet, sondern gezielt mit Sprengpulver verschlossen worden waren?
Aber warum war dann keine Kunde davon bis nach Elan-Dhor und zu den anderen Zwergenstädten gelangt, die es damals noch gegeben hatte, warum hatte man keine Boten ausgesandt, die von der Gefahr berichteten?
Fragen über Fragen, auf die es keine Antwort gab.
Das Grauen, das ihnen mit der Enthüllung der Identität der Thir-Ailith bis ins Mark gefahren war, übertrug sich auch auf die anderen Krieger, als sie in Lians Versteck zurückkehrten und ihnen von ihrer Entdeckung berichteten. Dabei verschwieg Barlok ihnen noch eine besonders grausige Beobachtung, die er als Einziger gemacht und von der er auch seinen beiden Begleitern nichts erzählt hatte.
Als er sich gerade von der Öffnung hatte zurückziehen wollen, um auch ihnen einen Blick zu ermöglichen, war eine Gruppe Dunkelelben aus einem der Stollen in die Halle getreten, tote Zwerge hinter sich her schleifend. Wie die anderen in der Leichengrube waren auch diese wie mumifiziert gewesen, doch die Uniformen, die sie trugen, ließen keinen Zweifel daran, dass es sich um die fünf vermissten Krieger seines Trupps handelte.
»Du hattest recht«, sagte Barlok mit brüchiger Stimme an Lian gewandt, nachdem er in dessen Versteck den anderen Bericht erstattet und danach eine Weile geschwiegen hatte. »Wir sind bereits früher auf die Thir-Ailith gestoßen, und auch wir sind nicht in der Lage, sie zu besiegen. Jedenfalls nicht jetzt und hier, dafür sind wir zu wenige. Aus diesem Grund ist es mir auch nicht möglich, beide Versprechen einzulösen, die ich dir gab. Wir werden dich von hier wegbringen, an einen Ort, wo es keine
Thir-Ailith gibt, aber ich fürchte, wir können nichts für die anderen Gefangenen in euren Wohnhöhlen tun.«
Lian nickte ohne erkennbare Enttäuschung, er schien nichts anderes erwartet zu haben. Trotzdem kam sich Barlok bei seinen Worten schäbig vor. Nun, da er wusste, womit sie es hier zu tun hatten, erschien manches in anderem Licht und ergab schrecklichen Sinn.
Schon vorher hatte er mumifizierte Tote wie die in der Leichengrube gesehen, Opfer eines schon vor dem Fall der Stadt nach Elan-Dhor gelangten Dunkelelben. Seither vermutete er, dass die Elbenabkömmlinge in irgendeiner Form die Lebenskraft ihrer Opfer in sich
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