Zwergenbann: Roman
und allgemein in der Tiefenwelt berichtet, doch diesmal wollte kein rechtes Gespräch aufkommen. Jeder hing seinen Gedanken nach, und Warlon fielen allmählich die Augen zu, als er plötzlich etwas hörte.
Auch die anderen setzten sich auf und lauschten. Warlon konnte das Geräusch nicht einordnen. Es klang wie ein hohes, an- und abschwellendes Summen. Fragend blickte er die anderen an, die aber ebenso ratlos wirkten. Lediglich um Malcorions Mundwinkel spielte ein flüchtiges Lächeln.
»Was ist das?«, fragte Warlon.
»Kommt mit und seht es euch selbst an«, sagte der Waldläufer und stand auf. »Nehmt alles mit, mit etwas Glück finden wir für heute Nacht einen angenehmeren Rastplatz.«
Rasch schnallten sie ihre Rucksäcke um, und Warlon spießte auch den toten Crail wieder auf sein Schwert. Unsicher, was sie erwarten mochte, folgten sie Malcorion, aber seiner lockeren Haltung zufolge schien es sich wenigstens nicht um eine Gefahr zu handeln.
Dieser Eindruck verstärkte sich bei Warlon noch, als sie sich der Quelle des Geräusches näherten und es lauter wurde, ohne dass er deshalb erkennen konnte, worum es sich handelte. Erst
klang es wie ein Summen, dann wie ein Wehklagen, und dann wieder wie eine Art unglaublich hoher Gesang, aber ohne Worte, nur eine Abfolge bizarrer Töne, die sich zu einem Klangteppich verwoben. Dergleichen hatte er noch nie gehört, aber es berührte etwas in ihm. So befremdlich einige der Töne auch klangen, in ihrer Gesamtheit bildeten sie eine zwar seltsame, jedoch auf eine ungewohnte Art wohlklingende Melodie.
Ein schwacher, silbrig-bläulicher Schein drang zwischen den Baumstämmen hindurch. Vor ihnen erstreckte sich eine Lichtung mit einem kleinen See, kaum mehr als ein wenige Meter breiter Tümpel, von dessen Oberfläche der Schein ausging.
»Vorsichtig jetzt«, raunte Malcorion. »Ihr dürft sie nicht erschrecken.«
Als Warlon noch ein paar Schritte weiter vortrat und einige tief hängende Zweige zur Seite bog, bot sich ihm ein unglaublicher Anblick, und er begriff, wen der Waldläufer mit sie gemeint hatte. Auf Felsen am Ufer des Sees saßen drei Frauen. Sie brachten nicht nur die seltsamen Töne hervor, sie waren auch die Quelle des Lichts. Es strahlte aus ihnen heraus und umgab sie wie eine schimmernde Aura. Warlon glaubte, dass sie nackt waren, doch genau war das nicht zu erkennen, da sie geradezu aus dem Licht geschaffen zu sein schienen.
Ihr Gesang, auch wenn er weiterhin nicht aus Worten, sondern nur aus den ätherischen, lauter und leiser werdenden Tönen bestand, verzauberte ihn. Zeit verlor ihre Bedeutung. Er wusste nicht, wie lange er genau wie die anderen nur reglos dastand, die drei Frauen beobachtete und ihnen lauschte.
»Das … das ist wunderschön«, murmelte Ailin schließlich und brach damit den Bann. »Was sind das für Wesen?«
»Waldfeen«, antwortete Malcorion leise. »Oder auch Nymphen, wie sie von den Elben genannt werden. Man findet sie vereinzelt noch in den Wäldern, aber sie sind scheu und leben sehr zurückgezogen.«
»Aber sie haben uns schon längst bemerkt, auch wenn sie versuchen,
es sich nicht anmerken zu lassen«, sagte Lokin. »Für so etwas habe ich einen Blick.«
Das glaubte Warlon dem Dieb unbesehen. Nur von einigen wenigen Zweigen noch notdürftig verdeckt, standen sie am Rand der Lichtung. Die Nymphen mussten sie sehen, wenn sie nur einen flüchtigen Blick in ihre Richtung warfen. Ganz so scheu schienen sie also nicht zu sein.
»Sie sind zugleich äußerst eitel«, erklärte Malcorion. »Sie lieben es, wenn man sie wegen ihres Gesangs bewundert. Es schmeichelt ihnen, deshalb dulden sie uns. Um ihr Wohlwollen zu erringen -«
Der Waldläufer verstummte, als sich ein scharfes, verärgert klingendes Zischen in den Gesang mischte, und die drei Nymphen ihre Köpfe in ihre Richtung wandten, womit sie zeigten, dass sie ihre Beobachter tatsächlich längst entdeckt hatten. Offenbar gefiel es ihnen jedoch gar nicht, dass diese sich während ihres Gesangs unterhielten, statt ihnen die ungeteilte Aufmerksamkeit zu widmen.
Erneut ließ Warlon sich von der fremdartigen Melodie umschmeicheln und verlor jedes Gefühl für die Zeit. Er meinte, die Töne wie unsichtbare, streichelnde Hände auf seiner Haut zu fühlen, sein Geist schien leicht und frei zu werden und alle Sorgen fielen von ihm ab.
Als der Gesang irgendwann leiser wurde und die letzten Töne wie der Klang kristallener Glocken verhallten, kam er sich vor, als würde er aus einem
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