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Zwergenfluch: Roman

Zwergenfluch: Roman

Titel: Zwergenfluch: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Rehfeld
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Aber statt sich dafür zu schämen, spielt er sich so großspurig auf, als ob er der heldenhafteste Zwerg der Welt wäre. Dabei ist er nur ein Ausgestoßener, und ein Dieb obendrein. Wenn man ihn beim Ausrauben des Dunkelturms erwischt hätte, würdet Ihr wohl auch anders über ihn denken.«
    »Wenn er das versucht hätte, wäre es ihm ziemlich übel ergangen«, behauptete Ailin schmunzelnd. »Und ich will ihn auch gar nicht verteidigen. Es stimmt, er ist sehr von sich
eingenommen, aber vielleicht war eine solche Art des Auftretens in den letzten Jahren seine einzige Chance, sich zu behaupten. Er kokettiert mit seinen Schwächen und lässt sie so weniger schlimm erscheinen.«
    »Mich jedenfalls treibt er damit nur zur Weißglut und er sollte höllisch aufpassen, dass er den Bogen nicht überspannt.« Warlon atmete tief durch. Es beschämte ihn, dass gerade Ailin ihn erst darauf aufmerksam machen musste, dass sein Verhalten eines Kommandanten nicht angemessen war. »Aber ich werde mich im Interesse unserer Mission besser beherrschen und versuchen, meine Abneigung gegen ihn nicht mehr so deutlich zu zeigen.«
    Einige Minuten lang gingen sie schweigend nebeneinanderher.
    »Wisst Ihr Genaueres darüber, was damals geschehen ist, als Lokin seine Ehre verlor und zum Ausgestoßenen wurde?«, erkundigte sich Ailin dann.
    »Keine Einzelheiten«, antwortete Warlon. »Er führte eine Patrouille, die in einen Hinterhalt der Gnome geriet. Er war der Einzige, der mit dem Leben davonkam und nach Elan-Dhor zurückkehrte. Zumindest schien es zunächst so. Aber einen Tag später kehrte noch ein weiterer Krieger schwer verletzt zurück und erhob ernste Anschuldigungen gegen ihn. Er hätte die anderen im Kampf im Stich gelassen und wäre geflohen, was eines Kriegers absolut unwürdig ist. Lokin bestritt die Vorwürfe, konnte sie aber nicht entkräften und wurde vor einem Tribunal schuldig gesprochen.«
    »Das heißt, es stand Aussage gegen Aussage.«
    »Der andere Krieger, der seinen Verletzungen bald darauf erlag, war ein altgedienter Veteran, der als absolut vertrauenswürdig galt. Es gibt keinerlei Grund anzunehmen, dass er log. Außerdem hatte Lokin selbst nicht einmal einen
Kratzer davongetragen, während alle anderen tot waren. Die Situation war also ziemlich eindeutig. Für mich gibt es keinen Zweifel, dass er feige geflohen ist. Wenn es nach mir ginge, hätte er dafür sogar hingerichtet werden sollen.«
    »Ihr seid ziemlich schnell mit einem Todesurteil bei der Hand, vor allem für jemanden, dem dies erst vorgestern selbst unter genau der gleichen Anklage gedroht hat.«
    Warlon runzelte die Stirn. Dies war schon das zweite Mal, dass er darauf angesprochen wurde. Es ärgerte ihn, dass gerade Ailin, die schließlich selbst dabei gewesen war, Lokins an den Haaren herbeigezogenes Argument aufgriff.
    »Das war etwas völlig anderes und überhaupt nicht miteinander zu vergleichen«, entgegnete er schärfer als beabsichtigt. »Ihr wisst selbst, dass wir die anderen Krieger nicht feige im Stich gelassen haben. Es gibt Zeugen, die dies bestätigen. Gerade der einzige andere Überlebende damals hingegen hat Lokin belastet, sonst wäre er vielleicht sogar davongekommen. Und er hatte es nicht mit einem vor Trauer blind und halb verrückt gewordenen König zu tun, sondern er wurde von einem unvoreingenommenen Tribunal in einer fairen Verhandlung verurteilt. Das ist …«
    Warlon verstummte und starrte angestrengt nach vorne. Ein riesiger dunkler Schatten, in dem zahlreiche Lichter aufglommen, war hinter einer Hügelkuppe vor ihnen aufgetaucht, höchstens noch ein oder zwei Meilen entfernt.
    »Endlich! Das dürfte wohl dieses Gormtal sein. Jetzt kann Lokin beweisen, ob er nur prahlen oder uns tatsächlich noch in die Stadt bringen kann.«
     
    Als sie sich Gormtal bis auf knapp hundert Schritte genähert hatten, brach der Mond durch die Wolken und übergoss
die Landschaft mit seinem kalten Licht. In seinem Schein leuchteten die Dächer der Stadt auf, als bestünden sie aus purem Silber. Doch der Anblick währte nur wenige Sekunden, dann schob sich erneut eine Wolke vor den Mond und ließ alles wieder in tristem, düsterem Grau verschwimmen.
    Gormtal war von einer steinernen Mauer umgeben, die fast so hoch wie zwei übereinanderstehende Zwerge war und äußerst massiv aussah. Zweifellos hätten Zwergenhandwerker sie geschickter errichtet, stellte Warlon fest, aber für Menschenwerk war sie recht beachtlich. Nicht anders verhielt es sich mit

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