Zwergenfluch: Roman
Reisegruppe, doch niemand sprach sie an. Nur noch selten entfernten sich Zwerge so weit von Elan-Dhor, und wenn, dann nur einzelne Händler oder Gauner wie Lokin, die Diebesgut verkaufen wollten, aber nur sehr selten eine ganze Gruppe.
Immer häufiger stießen sie nun auf Abzweigungen. Es schien in der Tat eine ganze Reihe kleinerer Dörfer in der Umgebung zu geben. Vereinzelt konnten sie sogar einige Dächer in der Ferne erblicken.
Glücklicherweise hielt sich das Wetter. Es war weder zu heiß noch zu kalt, sodass sie rasch und ohne große Mühsal vorankamen. Vor allem aber wirkte es sich gut auf die Stimmung der Krieger aus. Zum ersten Mal erlebten sie, dass es an der Oberfläche nicht nur Extreme gab. Gut gelaunt schritten sie mit schnellen Schritten aus und stimmten von Zeit zu Zeit sogar ein Lied an.
»Werden wir es heute noch bis nach Gormtal schaffen?«, wandte sich Warlon an Lokin.
»Schwer zu sagen. So genau habe ich den Weg auch nicht im Kopf«, antwortete dieser. »Aber ich denke schon, dass wir hinkommen, ehe die Stadttore geschlossen werden. Auch wenn es wohl kein weiteres Gewitter geben wird, habe ich wenig Lust, noch eine Nacht im Freien zu verbringen.«
Dem konnte Warlon nur zustimmen. Zwerge waren einfach nicht für Übernachtungen unter freiem Himmel geschaffen. Er sehnte sich danach, wieder ein Dach über dem Kopf und feste steinerne Wände um sich herum zu haben.
Eigentlich hatte er vorgehabt, noch einmal eine Rast einzulegen,
doch er entschied sich dagegen und trieb die Krieger stattdessen zu noch größerem Tempo an. Die Sonne hing bereits ziemlich tief am Horizont. Nach den Erfahrungen des gestrigen Tages schätzte er, dass es höchstens noch zwei Stunden dauern würde, bis sie vollends unterging.
Trotz aller Anstrengungen schafften sie es nicht rechtzeitig. Auch nachdem die Sonne bereits verschwunden war, blieb es noch geraume Zeit hell, doch schließlich begann der Himmel sich immer rascher grau und schließlich schwarz zu färben. Anderen Reisenden waren sie schon seit einiger Zeit nicht mehr begegnet, und noch immer war das Ziel ihrer Reise nicht in Sicht gekommen. Warlon warf Lokin immer finsterere Blicke zu, doch wenn dieser sie überhaupt bemerkte, so reagierte er nicht darauf.
»Du glaubst also, dass wir es rechtzeitig schaffen«, sprach er ihn schließlich an. Inzwischen war es völlig dunkel geworden, nur noch der Mondschein tauchte die Umgebung in fahles Licht, doch schien er in dieser Nacht nicht besonders hell, war hinter dunstigen Wolkenfetzen verborgen. »Und wo, bei Li’thil, liegt nun diese Stadt?«
»Anscheinend habe ich mich ein bisschen verschätzt«, gab Lokin ungerührt zurück. »So oft war ich auch noch nicht in Gormtal, und das letzte Mal liegt über ein Jahr zurück. Aber ich bin sicher, dass es jetzt nicht mehr weit ist.«
»Und ich bin sicher, dass ich dir den Hals umdrehe, wenn wir uns umsonst so abgehetzt haben und die Nacht doch noch im Freien verbringen müssen«, knurrte Warlon. »Du hast von Stadttoren gesprochen, die geschlossen werden.«
»Allerdings, bei Einbruch der Dunkelheit.«
»Und? Ist es vielleicht nicht schon dunkel? Warum sollen wir überhaupt noch weitergehen? Ich sollte dir -«
»Überlasst die Tore ruhig mir, die sind kein Problem«, behauptete
Lokin. »Wir kommen schon noch in die Stadt, seid unbesorgt.«
»Dann hoffe ich in deinem Interesse, dass das nicht auch wieder nur eine deiner überheblichen Prahlereien ist«, stieß Warlon hervor, wandte sich brüsk ab und ging weiter.
Auch Ailin beschleunigte ihren Schritt, um an seine Seite zu gelangen.
»Ihr solltet nicht so hart mit ihm ins Gericht gehen«, sagte sie. »Bis jetzt hat er uns gut geführt. Für die Widrigkeiten des Wetters kann auch er nichts.«
»Ihr ergreift auch noch für ihn Partei?«, murmelte Warlon bitter.
»Ich versuche nur die Tatsachen richtigzustellen. Ihr seid derjenige, der Lokin gegenüber voreingenommen ist und schon fast krampfhaft nach Anlässen sucht, ihn niederzumachen. Unsere Reise steht gerade erst am Anfang, und es gibt für die Krieger kein gutes Vorbild ab, wenn ausgerechnet die beiden für ihr Gelingen wichtigsten Männer ihre Feindseligkeiten offen vor ihnen austragen. Als Kommandant sollte gerade Euch das bewusst sein.«
»Ich weiß«, entgegnete Warlon. »Aber mit seiner dreisten Art treibt er mich einfach zur Raserei. Vor allem, wenn ich daran denke, was er getan hat. Wer seine Kameraden im Stich lässt, der ist nicht mehr als Dreck.
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